Ukraine

Ukraine: Sogar russische Cartoons verboten

Von der Kinderserie über drei Hunde, die ins All fliegen wollen bis zur Seifenoper über eine russische Familie: 34 Filmtitel aus russischer Produktion sind in der Ukraine Anfang der Woche auf einer schwarzen Liste gelandet und dürfen nicht mehr gezeigt werden.

Ein Gesetz verbietet seit neuestem russische Filme, die seit 2014 – dem Jahr der Krim-Annexion und des Kriegsausbruchs im Donbass – produziert oder auch erstmals ausgestrahlt wurden. Verboten sind zudem Filme ab 1991, die die russische Polizei oder die Armee in ein positives Licht rücken. „Das Gesetz wird helfen, den Schutz der nationalen Sicherheit zu erhöhen und die separatistischen Stimmungen in der Gesellschaft zu verringern“, heißt es in einer Erläuterung zu dem Gesetz, das Präsident Petro Poroschenko vor wenigen Tagen unterzeichnete.


OSZE kritisiert Rückschritt

Zensur gegen russische Filme ist in der Ukraine zwar nichts Neues. Seit Beginn des Ukraine-Konflikts vor zwei Jahren hat die ukrainische staatliche Filmagentur mehr als 400 russische Filme auf eine Verbotsliste gesetzt. Die Ausstrahlung der meisten russischen Fernsehsender ist in der Ukraine generell verboten. Denn die führen seit zwei Jahren eine beispiellose Propagandaschlacht gegen die sogenannte „faschistische Junta“ in Kiew.

Dass die ukrainische Regierung nun generell alle russischen Filme, die seit 2014 gedreht oder erstmals ausgestrahlt wurden, auf die Verbotsliste setzt, zeigt: Kiew will die Zensur weiter aufrecht erhalten und sogar ausbauen – obwohl die anti-ukrainische Propaganda in russischen Medien merklich nachgelassen hat.

Zudem steht das Gesetz im Gegensatz zu den westlichen Medienstandards, zu denen sich Kiew selbst nach der Revolution am Maidan verpflichtet hat. „Der maßgebliche Fortschritt der Ukraine im Bereich der Pressefreiheit sollte erhalten und ausgebaut und nicht untergraben werden“, kritisierte Dunja Mijatovic, OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, die Entscheidung.

Eine notwendige Maßnahme im Informationskrieg gegen Moskau – oder ein Angriff gegen die Pressefreiheit? Weder noch, sagt Oksana Romaniuk, Direktorin des Instituts für Massenmedien (MIM) in Kiew. „In der Praxis kann dieses Gesetz leicht umgangen werden.“ Immerhin könnten alle Filme und Serien noch über Internet oder Satellit konsumiert werden. Doch das sehen nicht alle so. „Die Verbote tragen in keiner Weise dazu bei, das Problem der Ukraine im Informationsfeld zu lösen, sondern nur dazu, den Ruf des Landes zu ruinieren“, kommentierte die Expertin Aksinja Kurina schon die ersten Filmverbote.


Es geht um Ehre, Helden, Andenken

Für Aufsehen sorgt auch der Fall um den beliebten Journalisten Sawik Schuster und seine auf russisch moderierte Fernsehshow „Schuster live“. Dieser Tage entzog ihm die Kiewer Stadtregierung wegen angeblicher Steuerhinterziehung die Arbeitserlaubnis. Schuster selbst sah das als eine politisch motivierte Schikane, er ging in den Hungerstreik.

Nun hat die nationale Arbeitsagentur die Entscheidung wieder rückgängig gemacht, nachdem Schuster sich dort beschwert hatte. Die Ironie: Schuster war vor mehr als zehn Jahren von Moskau nach Kiew gezogen, nachdem seine Sendung infolge des vermehrten Drucks im russischen Medienbereich abgesetzt worden war.

Es ist es ein schmaler Grat zwischen Patriotismus und Paranoia, den die ukrainischen Behörden mit ihrer „Informationssouveränität“ beschreiten, wie die Strategie im 2015 geschaffenen, umstrittenen Informationsministerium genannt wird. Das zeigt sich auch zunehmend im Kulturbereich.

So schlug der neue Kulturminister Jewgenij Nischtschuk vor, eine Agentur zum Verbot „von pro-russisch eingestellten Schauspielern“ zu gründen. „Für Leute, die die Ehre des ukrainischen Staates zerstören, die ukrainische Geschichte oder unsere Helden verzerren, gibt es hier keinen Platz“, so Nischtschuk in einem Interview. Seit einem Jahr ist in der Ukraine ein umstrittenes Gesetz in Kraft, was das „respektlose Andenken“ an ukrainische Nationalhelden, deren Rolle aber vor allem im Zweiten Weltkrieg umstritten ist, unter Strafe stellt.

Im „World Press Freedom Index“ von Reporter ohne Grenzen ist die Ukraine aktuell um 22 Plätze nach vorne gerückt. Der 107. von 180 Plätzen ist allerdings noch immer kein Ruhmesblatt, gelobt wird aber die erhöhte Transparenz bei Medieneigentum oder im Staatswesen. Zugleich kritisiert der Bericht „die Verfestigung eines beunruhigenden Informationskrieges mit Russland, das Verbote von Büchern, Einreiseverbote für bestimmte Journalisten und ein paranoides Verhalten der Geheimdienste beinhaltet“.


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Quellen:

Persönliche Gespräche mit Medienexperten

Gesetz auf der Seite der Werchowna Rada
http://w1.c1.rada.gov.ua/pls/zweb2/webproc4_1?pf3511=56877

Statement Dunja Mijatovic
http://www.osce.org/fom/235681

Statement Kulturminister
http://www.hromadske.tv/society/minkult-maye-namir-stvoriti-agentsiyu-dlya-zaboron/

Reporter ohne Grenzen – über Ukraine:
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ukraine/

Interview mit dem Leiter der ukrainischen staatlichen Film-Agentur
https://meduza.io/en/feature/2015/04/07/they-started-it

Der Fall Sawik Schuster
https://www.kyivpost.com/article/content/ukraine-politics/critical-television-hosts-work-permit-annulled-412723.html

http://uatoday.tv/news/foreign-tv-host-schuster-can-go-back-on-air-639716.html


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