Russland

RLW #46: Aprilscherz oder russische Realität?

Liebe Leserinnen und Leser, bevor eine neue Woche beginnt, die voll sein wird mit Karabachkrieg und Spekulationen über russische Hintermänner, sage ich: Testen Sie sich! Viele von Ihnen lesen Russland letzte Woche schon seit einer ganzen Weile. Sie haben sicherlich ein Gefühl dafür entwickelt, was in Russland Dichtung sein muss, und was Wahrheit sein kann.

Also, ich präsentiere Ihnen drei Nachrichten. Damit die Challenge nicht zu groß ist, habe ich dafür gesorgt, dass nur eine echt ist. Wollen wir?

1. Stalin ist wieder da

Die Metrostation Arbatskaja in der Moskauer Innenstadt wurde im April 1953 eröffnet, knapp einen Monat nach Stalins Tod. Bis zur Verurteilung des Stalin-Kults mussten noch ein paar Jahre ins Land gehen, also war es damals nicht verwunderlich, dass die Metro-Erbauer eine Wand des Pavillons vor den Rolltreppen mit einem riesigen Stalinporträt schmückten. Stalin in Überlebensgröße! Ein herrliches Mosaik!

Nun, mit dem Ende des Stalinkults musste es weg. Die sowjetische Regierung entschloss sich, das Portrait zu übertünchen. Mehr als 60 Jahre lang versteckte sich der sowjetische Diktator unter dutzenden Farbschichten, bis der Putz abblätterte und Stalins Kopf zum Vorschein kam. Scary! Die Metroverwaltung ließ die Stelle rasch neu verputzen, trotzdem gelang es einigen Moskauern, das - ähm! - stalinistische Fanal rechtzeitig zu fotografieren.

2. Strafe für betrunkene Fluggäste

Pobeda - zu Deutsch „Sieg“ - der russlandtypisch schamlos benannte Billigflieger-Ableger der staatlichen Aeroflot, hat sich eine Neuerung überlegt. Nein, die Platzreservierung kostet immer noch Geld, genau wie die Nutzung der Toiletten. Diesmal hatten die Chefs von Russen-Ryan-Air ausnahmsweise eine gute Idee: Alkoholtests für verhaltensauffällige Passagiere.

Wer mit mehr als Null Promille in den Flieger steigt, wird mit einer Strafgebühr von umgerechnet 13 Euro belegt. Auf Inlandsflügen kann das gut und gerne dem halben Flugpreis entsprechen. Pobeda hofft auf eine abschreckende Wirkung, schließlich sind schwer alkoholisierte Passagiere ein häufiges Problem in Russland. Die siegreichen Rotarmisten würden über so viel Abstinenz wohl den Kopf schüttelt.

3. Kreuzprozession mit Katzen

Kusmitsch ist ein Katzenflüsterer. Der bärtige Mitarbeiter des Optina-Klosters im Gebiet Kaluga südwestlich von Moskau macht täglich eine Kreuzprozession durch das Klostergelände, begleitet von sieben Katzen. „Die Kloster-Katzen spüren, wie wichtig die Prozesssion ist, und halten es für ihre unbedingte Pflicht, daran teilzunehmen“, hieß es auf der Webseite des Klosters. Franz von Assisis Wiedergänger lebt seit zehn Jahren im Kloster, seine Katzen-Prozession gilt den Mönchen inzwischen als ein fester Brauch.

Nun, liebe Russlandbeobachterinnen und -beobachter! Was ist echt, was ist ausgedacht? Bereit für die Auflösung? Trommelwirbel

Die Strafe für Alko-Jetsetter ist natürlich ein Aprilscherz von Pobeda. Auch die zweite Ankunft Stalins im Labyrinth der Moskauer Metro ist ein Fake, der am 1. April in den russischen sozialen Medien ziemlich erfolgreich war. Das Stalin-Mosaik wurde 1955 demontiert, es kann also nicht unter dem Putz hervortreten. Echt dagegen: Die Katzenprozession! Macht euch bereit für den niedlichen Videobeweis.

„Russland letzte Woche“ ist ein eklektischer Rückblick auf die Vorgänge da drüben im Osten, geschrieben von Pavel Lokshin in Kooperation mit n-ost. Für Abonnenten jeden Montagmorgen als Newsletter und auf ostpol.

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