Vom Anderssein und Andersmachen
Festivalleiterin Gaby Babic
/ Foto: Bozica Babic
n-ost: Frau Babic, die Sektion „Beyond Belonging“ widmet sich in diesem Jahr dem Konzept des sogenannten „Othering“. Um welche Themen geht es dabei konkret?
Gaby Babic: Die Überschrift lautet „Wir und sie? Vom Anderssein und Andersmachen“. Wir konzentrieren uns auf Themen der Ausgrenzung, die in Osteuropa bedeutend sind. Homophobie ist zum Beispiel ein großes Thema in der Sektion. Es geht außerdem um ethnische Formen der Ausgrenzung, vor allem im Kontext der Jugoslawienkriege. Auch zu Antiziganismus haben wir zwei Filme. Zudem spielen subtilere Formen von „Othering“ eine Rolle, beispielsweise die Ausgrenzung und Kriminalisierung von Obdachlosen und armen Menschen.
Welche Filme dazu zeigen Sie?
Babic: Wir haben beispielsweise einen Dokumentarfilm aus Russland, der schwule und lesbische Paare zu Formen von Ausgrenzung in ihrem Alltag befragt, TAG DES SIEGES (Originaltitel: Den Pobedy) von Alina Rudnitskaya. Oder auch das Schicksal einer transsexuellen Frau in Polen: Der Film NENN MICH MARIANNA (Originaltitel: Mow mi Marianna) ist das intime Porträt eines Menschen, der eine Geschlechtsumwandlung macht und dabei mit Widerständen zu kämpfen hat. Außerdem zeigen wir eine tolle kroatisch-bosnische Koproduktion: EIN FREMDER (Originaltitel: Obrana i zastita) spielt in Mostar, einer entlang von ethnischen Zugehörigkeiten geteilten Stadt. Dabei geht es um die Frage: Wie wirkt sich die Teilung auf Privatleben und Alltag aus?
Geben diese Filme auch Aufschluss über die Ablehnung von Flüchtlingen in Osteuropa?
Babic: Filme zu diesem aktuellen Thema werden jetzt wahrscheinlich erst gemacht. Aber ich würde die Frage problematisieren, weil man nicht generell von Flüchtlingsfeindlichkeit in Osteuropa sprechen kann. Entlang der Balkanroute gibt es ja durchaus auch starke Solidaritätsbekundungen und Hilfsaktionen gegenüber Flüchtlingen. Wir haben im Projekt „OPPOSE OTHERING!“ ein Filmteam eingeladen, das sich mit der flüchtlingsfeindlichen Politik Ungarns auseinandersetzen wird – und ganz konkret mit dem Bau des Grenzzauns.
Mit dem Projekt „OPPOSE OTHERING!“ möchte goEast insbesondere Nachwuchsfilmemacher fördern. Was genau ist geplant?
Babic: Dieses Projekt haben wir mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ ins Leben gerufen. Die Idee ist, Zweier-Regieteams einzuladen, die sich mit unterschiedlichen Formen und Phänomenen von „Othering“ filmisch auseinandersetzen wollen. Wir haben zehn binationale Teams mit ihren Projektideen nominiert. Bei goEast werden sie geschult und können ihre Projektideen weiterentwickeln. Eine Jury wird dann fünf Teams auswählen, die mit Produktionspreisgeldern ausgestattet werden, um die Kurzfilme innerhalb eines Jahres zu realisieren.
Wie geht es dann weiter?
Babic: Der Plan ist dann, ein „OPPOSE OTHERING!“-Netzwerk aufzubauen. Dafür haben wir schon jetzt zehn Partnerfestivals und Organisationen in Osteuropa gewonnen. Diese unterstützen die Teams bei ihren Recherchen und präsentieren die Ergebnisse auch im Rahmen ihrer Festivals. Über eine Website wollen wir ein Forum schaffen für Menschen, die Filme zu diesen Themen machen und sich vernetzen wollen.
Abseits des schweren Themas Ausgrenzung – was ist Ihr Geheimtipp für das Festival?
Babic: Das Symposium widmet sich in diesem Jahr dem Kriminalfilm in Mittel- und Osteuropa ab 1945 und ist eine Sektion, die mir sehr am Herzen liegt, weil wir da viel Recherchearbeit reingesteckt haben. Wir haben zwölf Filme aus zwölf Ländern zusammengetragen. Das sind Filme, die man nicht einfach online oder auf DVD schauen kann, sondern wirk-lich noch 35-mm-Kopien. Also richtige archivarische Schätze! Diese Filme ermöglichen sehr differenzierte Einblicke in die Gesellschaften Osteuropas zu Zeiten des Sozialismus.
Jahr um Jahr präsentiert das goEast-Festival den Facettenreichtum des Kinos aus Mittel- und Osteuropa. Vom 20. bis 26. April lockt es wieder zahlreiche Filmfreunde nach Wiesbaden und steht in diesem Jahr ganz im Zeichen des Kriminalfilms. n-ost ist Medienpartner.