Polen

„Die PiS-Regierung zerstört die Demokratie“

n-ost: Sie sind kein Politiker, sondern Informatiker und Theologe. Wie kam es dazu, dass Sie nach der Wahl im Herbst das Komitee zur Verteidigung der Demokratie gegründet haben?

Mateusz Kijowski: Es gab im November einen Aufruf des Bürgerrechtlers Krzysztof Lozinski, für die Freiheit in Polen zu kämpfen wie einst im Kommunismus. Die Idee habe ich aufgegriffen und eine Facebook-Gruppe gegründet. Kurz darauf ist das Ganze explodiert. Die Menschen sind zu Zehntausenden auf die Straße gegangen.

Das alles passierte nur wenige Tage nach der Vereidigung der neuen PiS-Regierung, die aus einer freien Wahl hervorgegangen ist. Wollten Sie die Demokratie gegen eine demokratische Entscheidung verteidigen?

Kijowski: Nein, sondern gegen die verdächtigen Entscheidungen, die diese Regierung sofort nach ihrem Amtsantritt getroffen hat, mit Hilfe von Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls der PiS angehört. Duda weigerte sich, gewählte Verfassungsrichter zu vereidigen. Vizepremier Pitor Glinski drohte offen mit Säuberungen in den staatlichen Medien und wollte ein Theaterstück in Breslau, das ihm nicht gefiel, verbieten lassen.

War das ein Staatsstreich, von dem manche PiS-Kritiker sprechen?

Kijowski: Putsch ist ein sehr starkes Wort. Die PiS hat begonnen, den Staat zu kapern und seine demokratischen Grundlagen zu zerstören. Sie hat das Verfassungsgericht entmachtet und die staatlichen Medien sowie Polizei und Justiz unter die Kontrolle der Regierung gestellt. Das ist kein Politikwandel, wie er nach Wahlen üblich ist, sondern ein Systemwandel. Es ist eine Revolution von oben, die den demokratischen Rechtsstaat ins Visier nimmt.

Es gibt in Polen weiterhin eine Vielzahl freier privater Medien, und niemand hindert Sie daran, gegen die Regierungspolitik zu protestieren. Ist ihre Kritik nicht doch übertrieben?

Kijowski: Nein. Wir haben es mit einer Situation wie in einem Auto zu tun, bei dem jemand die Bremse und die Lenkung ausgebaut hat. Man kann zwar noch fahren, aber nicht mehr stoppen oder steuern. Die PiS hat im Staat alle demokratischen Sicherheitssysteme entfernt. Es gibt kein handlungsfähiges Verfassungsgericht mehr, keine freien Staatsmedien.

Aber es gibt noch die EU-Kommission, die Polens Regierung unter Aufsicht gestellt hat. War das in Ihrem Sinn?

Kijowski: Ja, das war wichtig. Eine überwältigende Mehrheit der Polen begreift unser Land als Mitglied der europäischen Wertegemeinschaft. Es lässt die wenigsten Menschen in Polen kalt, wie sich die EU positioniert.

Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, sprach mit Blick auf Polen von einer drohenden Putinisierung. War das auch hilfreich?

Kijowski: Es war jedenfalls nicht unbegründet. Putin stellt die Macht über das Recht, und ähnlich aggressiv verfährt auch die PiS. Sie macht das Recht zu einem Instrument der Politik. In demokratischen Staaten ist aber das Recht ein unabhängiger Garant der Freiheit.

Warum haben die Polen, die als freiheitsliebendes Volk gelten, die PiS dann überhaupt gewählt?

Kijowski: Das ist schwer zu sagen. Viele Bürger haben sich von inhaltsleeren Debatten einschläfern lassen. Für die totalitären Pläne der PiS hat sich niemand richtig interessiert. Dazu kam eine diffuse Wechselstimmung, weil die Vorgängerregierung bei weitem nicht alles richtig gemacht hat. Es gab Skandale und Affären, das war nicht sehr sexy.

Auf die Sünden der Vorgängerregierung verweist die PiS zur Begründung ihres Handelns. Man müsse den Staat reparieren.

Kijowski: Das ist aber keine Reparatur, sondern eine Demontage, eine Demontage der Demokratie.

Zum Interview mit Kornel Morawiecki:


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