Nationalismus siegt
In der Sportarena von Osijek weht ein Meer kroatischer Flaggen, rund 3.000 Anhänger der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) füllen die Halle in der viertgrößten Stadt des Landes. Parteichef Tomislav Karamarko erhält tosenden Applaus, als er bei der Wahlkundgebung nahe der serbischen Grenze auf die Flüchtlinge zu sprechen kommt. „Die Migranten arbeiten sich durch Kroatien wie durch einen Käse”, ruft Karamarko abschätzig.
Am kommenden Sonntag wählen die Kroaten ein neues Parlament. Karamarkos nationalkonservative Oppositionspartei HDZ liefert sich ein Kopf-an Kopf-Rennen mit den regierenden Sozialdemokraten (SDP). Die 300.000 Flüchtlinge, die seit Mitte September das Land Richtung Slowenien durchquert haben, kommen ihm dabei gelegen. Die nationalistischen Töne sind in Kroatien aber bereits seit den Präsidentenwahlen Anfang des Jahres wieder schärfer geworden, als die HDZ-Kandidatin Kolinda Grabar-Kitarovic den sozialdemokratischen Präsidenten Ivo Josipovic überraschend aus dem Amt drängte.
Die wirtschaftliche Dauerkrise spielt kaum eine Rolle
Seitdem treiben die HDZ und kleinere Parteien, die sie unterstützen, Premier Zoran Milanovic und sein Mitte-Links-Bündnis „Kroatien wächst“ vor sich her. Der aufgeladene Wahlkampf dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Milanovic sich in der Flüchtlingskrise kürzlich mit seinen Nachbarländern anlegte: Als Ungarn im September seine Grenze zu Serbien schloss und der Strom der Schutzsuchenden sich darauf aus Serbien nach Kroatien ergoss, nannte Milanovic Ungarn den „Blinddarm Europas“ und die Serben „Barbaren“. Slowenien wiederum beschwerte sich, dass Kroatien die Flüchtlinge einfach an der grünen Grenze ihrem Schicksal überließ. Kürzlich warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel davor, dass auf dem Balkan gar ein neuer Krieg drohe, sollte Deutschland seine Grenzen schließen.
Inzwischen haben die kroatischen Behörden die Flüchtlingssituation weitgehend im Griff, und die Ausfälle des sozialdemokratischen Premiers und seines Herausforderers Karamarko bestimmen nicht mehr die Schlussphase des Wahlkampfs. Auch andere drängende Themen in dem jungen EU-Staat, allen voran die wirtschaftliche Dauerkrise, spielen kaum eine Rolle. Zwar verspricht der amtierende Premier seinen Wählern regelmäßig Wachstum und neue Jobs. Das unterscheidet Milanovic kaum von seinem Herausforderer.
Womit sich aber wirklich Stimmung machen lässt, sind Freund-Feind-Bilder aus der Vergangenheit. Der Balkankrieg vor nun 24 Jahren, den man in Kroatien nur den „Vaterländischen Krieg” nennen darf, ist auch beherrschendes Thema in der Sportarena von Osijek. Wer sich dieser Sprachregelung widersetze, dem drohten Konsequenzen, kündigt HDZ-Kandidat Karamarko an: Man werde nicht dulden, dass an den Universitäten von „Bürgerkrieg” die Rede sei; oder davon, dass Kroatien in den 1990-er Jahren sein Nachbarland Bosnien-Herzegowina angegriffen habe.
Der Kampf gegen die Kommunisten ist wichtiger
Bereits unter den regierenden Sozialdemokraten sind solche kritischen Äußerungen ein Problem: Vor einem Jahr entließ der damalige Staatspräsident Ivo Josipovic seinen Berater, den Politikprofessor Dejan Jovic. Er hatte Kroatien Mitschuld am Bürgerkrieg gegeben.
Aber Tomislav Karamarko, HDZ-Chef seit 2012, hat noch ein zweites Anliegen: Den Kampf gegen alte Kommunisten in Schlüsselpositionen. Im Sommer stellte der Politiker, der Anfang des Jahrtausends den kroatischen Geheimdienst leitete, sein „antikommunistisches Manifest” vor. Er kündigte an, bei einem Wahlsieg die Gesellschaft von versteckten „Bolschewisten” aus dem ehemaligen Jugoslawien zu säubern. Zu denen zählt Karamarko auch die Politiker der regierenden sozialdemokratischen SDP.
Der amtierende Premier Milanovic versucht nun im Gegenzug, die Nationalkonservativen zu vereinnahmen. Um seinen Patriotismus zu beweisen, beschloss er vor kurzem, den Zagreber Flughafen nach Franjo Tudjman zu benennen, dem Gründer der HDZ und dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten Kroatiens. Tudjman hatte in den 1990-er Jahren mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic vereinbart, Bosnien-Herzegowina unter sich aufzuteilen.
Nur Außenministerin Vesna Pusic scheint unbeeindruckt. Die zweite Frau in der Milanovic-Regierung und Chefin des Koalitionspartners „Kroatische Volkspartei“ widersprach der HDZ-Präsidentin Grabar-Kitarovic, die einen Grenzzaun zu Serbien forderte. Die HDZ, so wie sie Karamarko aufgestellt hat, nannte Pusic eine „Partei der gefährlichen Rechten”.
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Quellen:
Zu Karamarkos „antikommunistischem Manifest”:
http://www.telegram.hr/politika-kriminal/tomislav-karamarko-dao-je-poprilicno-skandalozan-intervju-najavljuje-radikalnu-duhovnu-reformu-i-obracune-s-ljevicarima-ako-dode-na-vlast/
Außenministerin Pusic an der serbischen Grenze:
http://www.telegram.hr/politika-kriminal/pusic-dosla-u-opatovac-i-porucila-da-hrvatska-nece-graditi-ni-zidove-niti-ogradu-prema-srbiji/