Russland

Junge Russen stehen hinter Putin

Sie stecken mitten in den Prüfungen zum Semesterende, doch die beiden Studenten Mechti Ajwasow und Ksenia Korobowa haben sich zu einer kurzen Lernpause im Gorki Park mitten in Moskau verabredet. Im Schatten der Bäume liegen Parkbesucher, auf einem See tummeln sich Tretboote, und ein Jugendlicher zieht auf seinem Longboard an den beiden Studenten vorbei. „Hier fühlt man sich fast wie in Europa“, sagt der 21-jährige Mechti Ajwasow und meint das eindeutig als Kompliment.

Als Wladimir Putin im Jahr 2000 das erste Mal zum russischen Präsidenten gewählt wurde, waren die beiden fünf und sechs Jahren alt – sie sind quasi mit ihm groß geworden. Fragt man den Soziologen Lew Gudkow nach ihnen und ihren Altersgenossen, spricht er von einer „verlorenen Generation“. Gudkow leitet seit 2006 das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada, das regelmäßig Bevölkerungsumfragen veröffentlicht. „Ältere Menschen verhalten sich gegenüber Putin vorsichtiger. Sie wissen noch, wie es zu Sowjetzeiten war, und durchschauen seine Demagogie“, erklärt der Meinungsforscher. 

Insgesamt ist seit der Krim-Krise im Februar 2014 die Unterstützung für den Präsidenten steil nach oben gegangen und hat im Juni 2015 ein Rekordhoch von 89 Prozent erreicht.


Keine unreflektierten Fans

Doch Mechti Ajwasow und Ksenia Korobowa sind keine unreflektierten Putin-Fans. Mechti Ajwasow studiert Internationale Beziehungen, lernt neben Englisch an der Universität Deutsch und beobachtet mit Sorge, wie sich das Verhältnis der beiden Länder immer weiter verschlechtert. Stein des Anstoßes ist aus seiner Sicht die Krim-Frage, und die ließe sich nicht so leicht lösen. „Die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft – darunter auch Deutschland – betrachtet das Referendum über den Beitritt zu Russland nun mal als Bruch internationalen Rechts.“

Seine Eltern stammen aus Aserbaidschan, er selbst ist in Moskau geboren, und mit Fleiß und Ehrgeiz hat er es auf eine der angesehensten Universitäten Russlands geschafft. Ksenia Korobowa studiert Journalismus und diskutiert mit ihm oft über die russischen Medien. „Wenn wirklich alles staatliche Propaganda wäre und es keine Meinungsfreiheit gäbe, dann würde nicht so offen und so häufig darüber gesprochen“, meint sie. Es gebe genug Möglichkeiten, seine Meinung zu äußern. Mechti Ajwasow schüttelt den Kopf: „Das mag schon sein, aber die Mehrheit der Bevölkerung bezieht ihre Informationen nun mal aus dem Fernsehen, und das ist voller staatlicher Propaganda.“

 Der Soziologe Gudkow hat die Berichterstattung zur Ukraine in den drei größten, mehrheitlich staatlich kontrollierten TV-Kanälen genau beobachtet und sieht in ihr einen der Hauptgründe für die breite Unterstützung für den Präsidenten. „Putin spielt mit dem verletzten Selbstwertgefühl der einfachen Menschen, die in der postsowjetischen Zeit des Gefühls beraubt wurden, einer Großmacht anzugehören“, sagt er. 


Glauben an die Supermacht

Während vor Putins Amtsantritt im März 1999 lediglich 31 Prozent der Befragten glaubten, dass Russland eine Supermacht sei, hat sich diese Zahl bis zum März dieses Jahres mehr als verdoppelt. Bei den 18- bis 24-Jährigen liegt dieses Gefühl inzwischen sogar bei 81 Prozent.

All das geschehe vor dem Hintergrund des Systemumbruchs in den 1990er Jahren mit Hyperinflation, grassierender Arbeitslosigkeit und rapide sinkendem Lebensstandard. „Die Menschen erinnern sich mit Schrecken an diese Zeit“, so Gudkow. Auch die Studenten im Gorki Park haben das als Kinder zu spüren bekommen. Ksenia Korobowas Vater ist Offizier und arbeitet im Verteidigungsministerium. Früher musste er nachts zusätzlich Taxi fahren, um seine Familie ernähren zu können. Als sie sich dann vor zwei Jahren an der Universität bewarb, konnte er ihr sogar die teuren Vorbereitungskurse für die Aufnahmeprüfung zahlen. „Wenn jetzt Wahlen wären, würde ich auch für Putin stimmen“, sagt sie.

Mechti beißt sich auf die Unterlippe. Auch in seinem Leben hat sich seit Putins Machtantritt einiges geändert. Seine alleinerziehende Mutter ist als Lehrerin ebenfalls Angestellte des Staates, und inzwischen könnten sie sich zumindest auch mal einen Urlaub leisten. Es sei schwierig, die eigene Heimat zu kritisieren, wenn man hier geboren und aufgewachsen sei, meint er. „Man kann natürlich über Mängel im Land und in der Politik des Präsidenten sprechen. Aber die Erfolge, die sich in unserem Leben auswirken, müssen wir dafür nicht dankbar sein?“


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