Wie weiter im Deutsch-Russischen Forum?
Eigentlich hatten sich die Mitglieder des Deutsch-Russischen Forums (DRF) eine positiven Impuls für die deutsch-russischen Beziehungen versprochen, als sie den früheren brandenburgischen Ministerpräsident Matthias Platzeck im März 2014 zum neuen Vorsitzenden wählten. Doch nun wächst in dem Verein die Kritik an Platzeck. Immer wieder äußerte der SPD-Politiker verständnisvoll für Putins Politik. Das Fass zum Überlaufen brachte sein Vorschlag, die russische Annexion der Krim nachträglich zu legalisieren.
Der Krieg in der Ukraine hat die deutsche Russland-Community tief gespalten und eine schon über Jahre entstandene Lagerbildung vertieft. Auch im traditionell kremlfreundlichen DRF, in dem die großen Wirtschaftsunternehmen starken Einfluss nehmen, tritt der politische Konflikt über den richtigen Kurs im Umgang mit Moskau jetzt offen zutage. Einige der rund 400 Mitglieder sind unzufrieden mit der politischen Linie des Forums.
Kritik an großer Wirtschaftslobby
Bei der Mitgliederversammlung im Hotel Adlon ging es kürzlich hoch her. Prominente Mitglieder der ersten Stunde, wie Jura-Professor Otto Luchterhandt oder die frühere Moskau-Korrespondentin Elfie Siegl, erklärten ihren Austritt.
In einem Brief begründete Luchterhandt seinen Weggang unter anderem damit, dass die DRF-Gremien von „Lobbyisten der Wirtschaft“ beherrscht würden, die an der Förderung der Zivilgesellschaft in Russland nur wenig Interesse hätten. „Die mit Russland befasste, im Forum anfänglich noch stark vertretende akademische Welt ist kaum noch präsent.“ Auch der Politologe Hannes Adomeit schrieb, es habe sich seit Platzecks Wahl herausgestellt, „dass er voll und ganz auf der Linie des Appeasements gegenüber der russischen Politik liegt.“ Das liefe all seinen eigenen Überzeugungen zuwider.
Politische Äußerungen Platzecks in der Kritik
Aber auch Mitglieder, die das DRF weiter unterstützen wollen, dringen auf einen Kurswechsel. „Auch wir sind das Deutsch-Russische Forum“, lautet ihr offener Aufruf an den Vorstand, in dem sie eine dringende Reform anmahnen. Der Journalist Hendrik Sittig gehört zu den drei Initiatoren. Er ärgerte sich unter anderem über den DRF-Jahresbericht, in dessen Grußwort die „Hybris“ des Westens ebenso kritisiert wurde wie die „Schwarzmalerei“ deutscher Medien.
Bei der Mitgliederversammlung sei deutlich geworden, dass die Mehrheit der Mitglieder diesen russlandfreundlichen Kurs stütze. „Wir fühlen uns da nicht aufgehoben“, sagt Sittig, der jetzt im Forum weitere Unterstützer für den Aufruf sammelt. „Wir hoffen auf die Diskussion im Forum und einen konstruktiven Strukturwandel.“ Sittig wünscht sich von Platzeck, dass er sich weniger politisch äußere, sondern für die „tollen Projekte“ des Forums werbe, sei es die Städtepartner-Konferenz oder das Praktikantenprogramm für junge russische Journalisten. „Er betreibt falsches Agenda-Setting.“
Platzeck sieht die Debatte gelassen: „Dass es zu Differenzen kommt, ist nicht unnormal“, sagt der SPD-Mann gegenüber n-ost. „Ich würde das nicht dramatisieren.“ Als ehrenamtlicher Vorsitzender stehe er vor dem unlösbaren Problem, dass die Medien seine Meinung immer als Sprachrohr des Forums wiedergäben, das aber ein breiteres Meinungsspektrum repräsentiere. „Da werde ich nie alle zufrieden stellen.“
Keine Trauer um die Austritte
So habe er sich wiederum Kritik von anderen Mitgliedern eingehandelt, als er im Herbst 2014 den Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski eingeladen habe. „Ich bin ausdrücklich kein Putin-Verteidiger“, sagte Platzeck. „Aber wir haben in Deutschland keine Marktlücke für russlandkritische Organisationen.“ Deshalb sei es nicht schlecht, auch eine Organisation wie das DRF zu haben, die weiter Brücken baue und den Dialog mit Moskau suche.
Geschäftsführer Martin Hoffmann, der selbst mit seinem Weckruf „Wir verlieren Russland“ viel Kritik auf sich zog, sagt, er trauere nicht so sehr über die Austritte. „Das ist ein normaler demokratischer Prozess.“ Dem Verein seien in diesem Jahr 29 neue Mitglieder beigetreten. Es habe neun Austritte gegeben, von denen nur vier politisch motiviert gewesen seien.
Hoffmann kündigt an, dass das interne Diskussionsforum, auf dem die Mitglieder all diese Fragen diskutieren, ab Ende April öffentlich zugänglich sei.
-----------------------------------------------
Quellen:
Persönliche Gespräche Matthias Platzeck und weiteren DRF-Mitgliedern
http://www.deutsch-russisches-forum.de/