Moldawien

Das neue Weinzeitalter

In Moldau wachsen die meisten Weinreben pro Einwohner, doch als Weinland ist der Staat zwischen Rumänien und der Ukraine nahezu unbekannt – geradezu verkannt, meint sogar der Weinkritiker und Journalist Stuart Pigott. Er hat vor sieben Jahren moldauische Winzer besucht und ihnen ein sehr amüsantes Kapitel in seinem Buch „Wein weit weg“ (2009) gewidmet. Darin beschreibt er, wie er sich beim Verkosten moldauischer Weine seiner westlichen Vorurteile überführt sah. Er scheut sich nicht, die besten und ältesten Weine des Landes mit Bordeaux-Weinen zu vergleichen. Und er schreibt über einen Weinbrand: „Wie kann dieses kleine Land, das so weit entfernt von Cognac liegt, Weinbrände erzeugen, die viele teure Cognacs in den Schatten stellen?“

Neues wagen, Altes hinter sich lassen – das ist das Mantra der moldauischen Winzer, die sich den Qualitätsweinen verschrieben haben. Es sind zumeist junge Winzer, die irgendwann einmal den Beruf des Kellermeisters erlernt haben, in einem großen Betrieb angestellt waren und sich nun aufmachen, ihren eigenen Wein herzustellen – von der Pflanzung der Rebe über die Ernte und Weinherstellung bis zur Vermarktung. Das klingt ganz selbstverständlich für ein Land, das fast doppelt so viele Rebstöcke hat wie Rheinland-Pfalz und etwas weniger Einwohner, ist es aber nicht.

Zu Sowjetzeiten war Moldau der Obstgarten des Riesenreiches und sollte es mit Wein versorgen: Große Staatsbetriebe stellten Massenware her, die Winzer des Landes lieferten die Trauben dazu, gekeltert wurde woanders, und um den Verkauf kümmerte sich der Staat. Nach dem Ende der Sowjetunion wurden die moldauischen Winzer wieder Besitzer ihres eigenen Landes. „Einige jüngere dachten damals: Wir sind ein Weinland und in jedem Weinland muss es kleine Winzer geben“ erklärt Ion Luca, Chef des Moldauischen Kleinwinzerverbandes. Und sie begannen, selbst Rebstöcke anzupflanzen, sie kauften Fässer und Abfüllanlagen und kreierten ihre eigenen Marken.


Wegschütten, wenn die Erwartung nicht erfüllt wird

Parallel hatten die alten Staatsbetriebe mit russischen Weinembargos zu kämpfen. Bis 2005 wurden etwa drei Viertel der moldauischen Weine nach Russland exportiert. Danach blieben die Winzer auf ihren Trauben sitzen, die Keltereien auf ihren Weinen. Doch während Russlands Präsident Wladimir Putin mit den Embargos von 2005 und 2013 den Westkurs Moldaus aufhalten wollte, hat er praktisch das Gegenteil erreicht: eine Umorientierung der Weinwirtschaft auf andere Märkte. „Einen Partner langfristig zu halten, der zweimal in zehn Jahren so etwas macht, das können wir einfach nicht. Das ist Raub“, stellt Ion Luca fest.

Die Mitglieder des Kleinwinzerverbandes haben sich seit jeher kaum nach Russland orientiert. Was sie viel mehr interessiert, ist Identität statt Gigantismus – und ein Bezug zum Produkt statt Stolz auf Zahlen. Sie haben verstanden, dass die Konsumenten eher bereit sind einen höheren Preis für den Wein zu bezahlen, wenn sie irgendeine Bindung zu der Region, zu der Geschichte und zum Winzer haben. Diese jungen Winzer wollen Spitzenweine, und sie gehen dafür bewusst Risiken ein, statt auf Durchschnitt und Sicherheit zu setzen: „Sie schütten auch mal einen ganzen Tank Wein weg, wenn der ihren Erwartungen nicht entspricht“, erzählt Importeur Reinhard Hannesschläger, der die Weine aus Moldau in Deutschland verkauft.

Die jungen Winzer haben auch verstanden, dass man Probleme anpacken muss. Deshalb haben sie vor sechs Jahren den Verband der kleinen Winzer gegründet und mit der seit 2009 demokratisch und europäisch orientierten Regierung einige Gesetzesänderungen ins Parlament gebracht. „Die Regeln und Gesetze, die wir damals hatten, waren sehr abgestimmt auf die großen Produzenten“, erinnert sich Luca. So waren zum Beispiel die Lizenzen für kleine Winzer zu teuer. „Wir haben es geschafft, dass wir jetzt ein neues Weingesetz haben, das keine Lizenz mehr vorsieht.“ Insgesamt sei die jetzige Regierung viel offener für kleinere und mittlere Betriebe als die kommunistische Regierung vor 2009.

Das neue Zeitalter im Weinland Moldau äußert sich aber auch darin, dass alte und neue, große und kleine Weinbaubetriebe stärker zusammenarbeiten. Bis zum ersten Embargo hatte jeder Hersteller seine eigenen Importeure, denn Russland war ein guter Abnehmer. Nach dem Embargo haben die Winzer dann gesehen, wie schlecht ihr Image auf den Märkten außerhalb Russlands war. „Es gibt Märkte, die nicht einmal wissen, wo Moldau liegt, deswegen müssen wir dort gemeinsam unsere Weine vermarkten“, sagt Luca. Schließlich stehe mit Europa ein Markt mit 500 Millionen Einwohnern bereit. „Auch wenn niemand in der EU uns kennt – es ist ein stabiler Markt.“

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Quellen:

Vor-Ort-Recherchen

Nationales Büro für Wein und Rebe Moldau

Statistik der Internationalen Organisation für Rebe und Wein 


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