Bulgarien

Notdienst in Not

Elena Michajlowa macht sich zur Nachtschicht bereit. Die Ärztin und ihr Team vom zentralen Notdienst in Sofia steigen in den Notarztwagen. Die Rettungssanitäter schaffen es nicht immer, die Patienten zu retten, meint die Teamleiterin. Ihre Arbeit sei ein Wettlauf gegen die Zeit.


Zwei Stunden warten auf den Notarzt

Immer öfter hat die Ärztin das Gefühl, bei diesem Wettlauf von Anfang an kaum eine Chance zu haben. Wie auch? Schon bei Schichtbeginn hat ihr Team einen Rückstand von rund zwei Stunden aufzuholen, der sich während des Tages angehäuft hat. Einige Kollegen waren krank, und Ersatz ließ sich keiner finden.

Als das Team bei seinem ersten Patienten, einem Mann Mitte 70, in einem Sofioter Wohnbezirk eintrifft, ist es schon zu spät: „Vor ein paar Minuten war er noch am Leben“, schluchzt seine Ehefrau und zeigt auf die Uhr an der Wand: 20:40 Uhr. Darauf habe sie zwei Stunden lang ständig geschaut und gewartet. Unter die Trauer mischt sich Wut.


Zu viele Notrufe, zu wenige Ärzte

„Vielleicht gab es dringendere Fälle“, vermutet später der Fahrer der Ambulanz. „Zum Beispiel Schwerverletzte im Straßenverkehr, gefährdete Kinder oder Leute, die irgendwo hinuntergestürzt sind.“

Die Überbelastung macht dem Team zu schaffen. Manchmal rufen auch Leute an, bei denen gar kein Notfall vorliegt, sondern die einfach einen Hausarzt brauchen. „Wie soll man entscheiden, wer Hilfe nötig hat, und wer warten muss? Das ist eine Entscheidung über Leben und Tod“, so der Fahrer weiter.


350 Euro pro Monat

Rund 7.100 Ärzte und Sanitäter arbeiten beim zentralen Notdienst in Bulgarien. Rettungsärzte wie Elena Michajlowa bekommen rund 350 Euro pro Monat für Einsätze von bis zu 12 Stunden. Wer zusätzlich nachts Notdienste übernimmt, verdient rund 500 Euro.

Die Arbeit ist stressig, die Ausrüstung alt. Ob ein bestimmtes Gerät im Rettungswagen ist – mitunter Glückssache. Kaum einer will den Job machen. Besonders groß ist der Personalmangel in der Hauptstadt Sofia. Für die rund 1,3 Millionen Einwohner stehen nur zwischen 15 und 20 Rettungsteams mit je drei bis acht Sanitätern zur Verfügung.


Verbesserungen angekündigt

Immer öfter treffen die Sanitäter auf wütende und aggressive Patienten undAngehörige. Es kommt sogar zu Übergriffen auf die Notärzte. Gesundheitsminister Petar Moskow von der konservativen Regierung, die seit November 2014 im Amt ist, hat nun Reformen angekündigt: Gehälter sollen mit Hilfe der EU steigen, der Fuhrpark wird aufgestockt und modernisiert. Seit Kurzem seien in Sofia zehn neue Notärzte im Einsatz.


Weitere Artikel