Ungarn

„Politik kann keine Kunst machen“

ostpol: Sie sind als Künstler viel im Ausland unterwegs. Hat sich durch die Außenperspektive Ihr Bild von Ungarn verändert?

Csakany: Natürlich ändert sich die Ansicht, wenn man von außen, aus der Ferne auf seine eigene Umgebung blickt – auf den Ort, an dem man aufgewachsen ist. Grundsätzlich denke ich, dass die meisten Ungarn unbedingt ganz viel reisen sollten, um eine neue Perspektive zu bekommen. Die laufende Veränderung, die im eigenen Blick stattfindet, ist aber nicht so drastisch wie all das, was sich in Ungarn verändert.

Coatstand 
Skultpur „Coat Stand“ von Istvan Csakany.  
Dieses Objekt, das den Nachbau eines
Kleiderständer aus Holz zeigt, wird der 
weltberühmte ungarische Künstler
(Jahrgang 1978) vom 23.01-20.02. 
auf der Ausstellung "14x14 - Vermessung
des Donauraumes - Momentaufnahmen" 
in Pecs ausstellen. Organisiert wird die
Veranstaltung von donumenta 
Foto: Miklos Suranyi

Werden Sie in Deutschland oft auf die politische Situation in Ungarn angesprochen?

Csakany: Im vergangenen Jahr war ich im Rahmen eines Artist in Residence-Programms sechs Monate lang in Stuttgart im Schloss Solitude, und da wurde ich quasi ein halbes Jahr lang mit Ungarn-Fragen gelöchert. In letzter Zeit hat es sich aber glücklicherweise etwas gelegt. Und teilweise bin ich genau deshalb weggegangen aus Ungarn, weil ich keine Lust mehr habe, dass die Tagespolitik Teil meines täglichen Lebens ist. Die politische Situation in Ungarn hat sich in eine sehr schlechte Richtung entwickelt, und das ist eine Belastung für viele, nicht nur für mich.

Wie sehen Sie den Einfluss der ungarischen Politik auf Kunst und Kultur?

Csakany: Er ist leider da, und er ist unausweichlich da. Selbst wenn man so wie ich keine politische Kunst macht. Im Wesentlichen wurde in Ungarn jede Institution aufgelöst, die auch international tätig war und die auch progressive Kunst zeigte – natürlich hat das Konsequenzen. Und dadurch ist auch der Teil der intellektuellen Schicht arbeitslos geworden, denn alle Hintergrundstrukturen, die ihnen die Arbeit ermöglicht haben, sind Vergangenheit. 

Wie reagieren die Künstler?

Csakany: Die bedrückenden Umstände haben viele Künstler dazu veranlasst, in Form von politischer Kunst zu reagieren, andere wiederum schlucken die Probleme herunter oder ziehen sich zurück. Aber es gibt auch eigene Anstrengungen wie zum Beispiel die im April in Budapest stattfindende, komplett eigenfinanzierte Off-Biennale, die quasi ein Versammlungspunkt für Kunstschaffende wird, die aus dem System herausgedrängt wurden.

Braucht Ungarn eine Art Konsens darüber, was ungarische Kunst ist?

Csakany: Ob man es Konsens nennt oder nicht: Natürlich ist es gut, wenn wir uns im Klaren sind darüber, woher wir kommen und woraus wir bestehen. Das ist auch dann wichtig, wenn man im Ausland ist oder auf irgendeine Art seine Heimat repräsentieren muss. Ich habe aber das Gefühl, andere Länder bekommen diese Einigkeit besser hin als wir. Es gibt beispielsweise ganz klar polnische Kunst. Wie man diese formuliert und definiert, kann ich nicht sagen. Auf keinen Fall darf Kunst aber Politik zugrunde liegen. Politik kann keine Kunst machen.

Wie geht es der zeitgenössischen ungarischen Kunstszene derzeit?

Csakany: Das ist sehr schwer zu beantworten. Einerseits finde ich, dass sie in einem erbärmlichen Zustand ist, andererseits geht es ihr gut. Es geht ihr deshalb gut, weil es auch im internationalen Vergleich herausragende ungarische Künstler gibt. Wir könnten noch viel effizientere und erfolgreichere Künstler haben; das ist jedoch ein sehr komplexes Thema, denn es hängt nicht nur vom Künstler ab, sondern auch von der Kulturpolitik, der Arbeit der Kuratoren und vielen weiteren Komponenten. Andererseits gibt es in letzter Zeit eine Rückentwicklung. Die zeitgenössische ungarische Kunst verschwindet von der Weltkarte. Das hat wiederum einen sehr schlechten Einfluss, denn alles, was in den vergangenen 20 bis 25 Jahren schön langsam aufgebaut wurde, um Ungarn in der Kunst sichtbar zu machen, verschwindet nun wieder. Das ist besonders für unsere und die nächste Generation von großem Nachteil.

ostpol ist Medienpartner der donumenta


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