Ukraine

Donezk: Es wird schlimmer, jeden Tag

Ich werde gefragt: Wie ist es in Donezk? Ich sage: Schlimm. Und jeden Tag wird es schlimmer.

Tag und Nacht gehen in den Gebieten rund um den Flughafen Geschosse nieder, wohl von den ukrainischen Einheiten. Auf der anderen Seite haben die Separatisten Stellungen rund um die Stadt und schießen von dort auf die ukrainischen Positionen, etwa von den Abraumhalden und direkt neben den Wohnhäusern.

Das weiß ich nicht vom Hörensagen. Es wird aus GRAD-Raketenwerfern geschossen, Haubitzen und alles, was sich der Gott des Krieges sonst noch ausgedacht hat. Die Bewohner der Häuser sind schockiert, weil sie wissen, dass die Ukrainer zurückfeuern und ihre Häuser treffen können. Aber sie können nichts dagegen tun.


Die Ersparnisse sind aufgebraucht

Die „ausgehende“ Kanonade wird vor allem in den letzten Tagen immer stärker. Aber sichtbare Bewegungen an der Front gibt es nicht. Man tötet einander, Tag für Tag. Die Logik des Krieges kann ich nicht verstehen. Und die Ukrainer erzählen stolz von ihren „Cyborgs“, die im Flughafen von Donezk kämpfen.
Die soziale Lage ist problematisch und wird langsam katastrophal.

Gehälter, Sozialleistungen und Renten aus Kiew haben viele zuletzt im August gesehen. Dann gab es eine einmalige Zahlung der Separatistenregierung. Aber das sind alles Peanuts. Das Geld ist alle, und wenn Russland nicht in großem Maßstab Geld gibt, wird bald alles zusammenbrechen. Ihre Ersparnisse haben die Menschen aufgebraucht. Vor zwei Wochen waren die Menschen immer noch wütend auf Kiew wegen Poroschenkos Dekret, das den finanziellen Rückzug Kiews aus den „besetzten“ Gebieten anordnete.

Nun richtet sich die Wut immer mehr gegen die Regierung der selbsternannten Volksrepublik Donezk (DNR). Gäbe es nicht die massenhafte humanitäre Hilfe von Oligarch Achmetows Stiftung, hätten viele schon jetzt nichts mehr zu essen.

„Dann haut eben ab von dort“, sagt man in Kiew den Menschen im Donbass. Wenn es sehr schlecht wird, werden die Menschen ihre Heimat verlassen. Aber viele sind im September zurückgekehrt, weil sie den Versprechen der Separatisten geglaubt haben. Die lauteten: Wir bauen den Donbass gemeinsam wieder auf, bald werden Gehälter und Renten gezahlt usw.


Die Menschen sind Patrioten ihrer Stadt

Pech gehabt. Jetzt, im Dezember, bei Schnee und Frost, antwortet mir: Wohin sollen die Menschen gehen? In die Ukraine, wo der wirtschaftliche Zusammenbruch naht und die Menschen aus dem Donbass pejorativ abwertend als „Watniki“ bezeichnet werden?

Wenn man Verwandte hat, geht es noch, aber viele haben schon den ganzen Sommer über dort ausgeharrt, und jeder kennt die Größe sowjetischer Wohnungen. Und, auch wenn es viele nicht glauben werden: Die Menschen im Donbass sind Patrioten ihrer Stadt. Sie wollen hier bleiben.

Heute haben wir eine von der Volksrepublik organisierte „Feier“ vor dem Jugendtheater von Makejewka, einer Stadt unweit von Donezk besucht. Auf der Bühne sprachen der Separatistenführer Andrej Purgin und die anderen neuen Machthaber. „Den Donbass zwingt niemand in die Knie“, „Jede Stimme wird gehört“, und sonstige sinnlose Durchhalteparolen.

Davor standen im Schneematsch Beamte, die man auf die Demonstration gezwungen hatte, müde die Fahnen schwenkend. Ein paar Meter weiter wurden zu einem Drittel des normalen Preises Milch, Brot und Nudeln verkauft. Aber der Verkauf begann erst, als die „Feier“ angefangen hatte. Dabei standen die Leute, ein paar Hundert Rentner, schon seit zwei Stunden an und waren sehr wütend. Eine Erstürmung der Lieferwagen mit den Lebensmitteln verhinderten nur die bewaffneten „DNRowzy“. Aber natürlich ergab das Ganze tolle Bilder für das „Erste Republikanische Fernsehen“.


Wer nicht mehr laufen kann, stirbt

Eine Krankenschwester, die im Rettungswagen arbeitet, erzählte mir, dass viele Alte, die nicht mehr laufen können, nun sterben, einer nach dem anderen. Denn sie haben kein Geld mehr für die Behandlung im Krankenhaus. Die Sanitäter werden gerufen und geben eine Spritze. Fünf Stunden später kommt der nächste Anruf, dann ist der Mensch bereits tot. Das ist fürchterlich.

Mit einem Wort: Alles geht in Richtung Transnistrien. Aber diesmal mit zwei Millionen Menschen, mit einer zerstörten Industrielandschaft und (bislang) keinen sichtbaren Finanzspritzen aus Russland. Die Menschen hier sind zu Geiseln eines großen, zynischen Spiels geworden. Ja, im Frühjahr, nach der Krim-Annexion, glaubten die Menschen hier, dass Russland sie zu sich holt, und stimmten beim Referendum für die Abspaltung. Aber Russland will sie nicht. Sie haben sich geirrt, und was jetzt? Sollen sie deshalb verhungern?

Ich bin aufgewühlt von dieser Situation und sehe keinen Ausweg.


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