Aus für South Stream schockt Bulgarien
Die Gaspipeline South Stream ist Geschichte. Es klang fast ein wenig eingeschnappt, als der russische Staatspräsident Wladimir Putin am Montagabend in Ankara die Einstellung des Projekts mit Bulgariens mangelnder Souveränität gegenüber der Europäischen Union (EU) begründete. In einigen Jahren sollte South Stream russisches Erdgas submarin durchs Schwarze Meer nach Bulgarien und über Serbien, Ungarn und Slowenien nach Österreich führen.
Die Bulgaren hatten das Projekt im Sommer auf Druck aus Brüssel auf Eis gelegt. Günther Oettinger, damals noch EU-Energie-Kommissar, hatte Ende Mai Bulgariens Regierung aufgefordert, das South Stream-Projekt einzufrieren. Grund dafür waren weniger die EU-Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Konflikts, sondern Unregelmäßigkeiten beim Ausschreibungswettbewerb zum Bau der Gaspipeline.
Hinzu kam die Weigerung Russlands, South Stream gemäß den Bestimmungen der EU zu errichten und Dritten Zugang zur Pipeline zu gewähren. Zwar sagte der damalige bulgarische Ministerpräsident Plamen Orescharski die Einfrierung des Projekts zu, die Arbeiten gingen aber offenbar weiter. In Bulgariens Schwarzmeer-Hafen wurden Betonteile für ihren Bau angeliefert und das bulgarische Wirtschaftsministerium erhöhte das Unternehmenskapital an der bulgarisch-russischen Projektgesellschaft.
Nationale Interessen verspielt
„Zum wiederholten Male haben wir unsere nationalen Interessen verspielt. Anstatt dass 63 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich Bulgarien passieren, wir von Transitgebühren profitieren und Gas zu Vorzugspreisen bekommen, werden wir das selbe Gas von der Türkei kaufen“, klagt nun der frühere sozialistische Wirtschaftsminister Rumen Getschev. Seine Genossen halten den Anfang November 2014 zum zweiten Mal ins Amt getretenen rechtsgerichteten Ministerpräsidenten Boiko Borissov für den Totengräber von South Stream.
Während seiner ersten Amtszeit von 2009 bis 2013 hatte Borissov bereits zwei russische Energieprojekte eingestellt: den Bau eines zweiten Atomkraftwerks bei Belene an der Donau sowie die Schaffung einer Öl-Pipeline vom bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas ins griechische Alexandroupolis. Sie sollten zusammen mit South Stream Bulgarien zum „Energie-Hub des Balkans“ machen.
Zuletzt hatte sich Borissovs Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (RB) immer wieder für South Stream ausgesprochen – unter der Voraussetzung, die Pipeline würde entsprechend den EU-Direktiven errichtet. Doch Vertreter des konservativen „Reformerblocks“ (RB) opponierten stets gegen die Gaspipeline, weil sie Bulgariens energiewirtschaftliche Abhängigkeit von Russland erhöhe, anstatt sie zu vermindern.
Größte Korruptionsaffäre Bulgariens
RB-Sprecher Radan Kanev nannte South Stream gar „möglicherweise die größte Korruptionsaffäre der bulgarischen Geschichte“, nachdem bekannt wurde, dass ganze Passagen einer von sozialistischen Abgeordneten eingebrachten Gesetzesnovelle zum nationalen Energiegesetz in der Zentrale der russischen Gazprom formuliert worden waren – maßgeblich, um South Stream den EU-Vorgaben zu entziehen. Es gäbe keinen anderen Fall, „in dem eine ausländische Gesellschaft oder ein Staat einem unabhängigen Land die Gesetze schreibt. Es besteht die Gefahr, dass der politische Willen in Bulgarien nicht von seinen Regierenden bestimmt wird“, so Kanev.
Seit aber der RB mit der konservativen Partei GERB eine Koalitionsregierung bildet, äußern sich seine Vertreter zurückhaltender. „Für mich ist das Projekt South Stream solange noch nicht geschlossen, bis wir eine Stellungnahme Russlands sehen“, sagte etwa Wirtschaftsminister Boschidar Lukarski (RB). Während sich Bulgariens Regierungschef Borissov noch nicht zu Putins Verdikt zu South Stream geäußert hat, beklagte sie sein serbischer Amtskollege Aleksandar Vucic bereits als schlechte Nachricht für sein Land. „Serbien hat sieben Jahre in das Projekt investiert und zahlt jetzt den Preis für eine Auseinandersetzung zwischen den Großmächten“, so Vucic.