Schärferes Asylrecht bringt Roma in Bedrängnis
Ein unbefestigter, von Pfützen durchlöcherter Weg, gesäumt von Müllbergen, in denen streunende Hunde stöbern. Vor Hütten aus Planen, Ziegeln und Wellblech stehen Menschen mit Kindern auf den Armen. Das ist Veliki Rit, eine Romasiedlung am Rande der serbischen Stadt Novi Sad. Fast jeder hier war schon einmal in Deutschland, viele sprechen Deutsch. Viele der Bewohner sind während des Kosovo-Krieges in den 1990-er Jahren nach Novi Sad geflüchtet.
Die Attraktion an diesem Tag ist ein Auto aus Deutschland, so groß, dass es den halben Weg versperrt. Es gehört einer Roma-Familie, die es nach dem Kosovo-Krieg geschafft hat, in Deutschland Fuß zu fassen. Im Gepäck haben sie Shampoo und Waschmittel, Nudeln und Mehl im Wert von mehreren hundert Euro. Geschenke für die in Serbien gebliebenen Verwandten.
Die wenigsten besitzen Dokumente
Die meisten Roma in Serbien arbeiten schwarz als Tagelöhner oder sammeln Flaschen. Auch der zwölfjährige Ksender Berisha muss nach der Schule mithelfen, das Überleben der Familie zu sichern. „Wir hier in Rit arbeiten alle, sonst würden wir verhungern“, sagt er. Für einen Container mit Plastikflaschen bekommt der Junge umgerechnet einen Euro pro Tag. „Und wenn ich ein Stück Brot finde, nehme ich das auch mit.“
Eine feste Arbeitsstelle zu finden ist fast aussichtslos. Ein Grund dafür ist auch, dass die wenigsten Bewohner von Veliki Rit Dokumente besitzen. Oft sind Geburts- oder Heiratsurkunden im Kosovo verblieben oder verbrannt. Aber auch diejenigen, die nicht aus dem Kosovo geflüchtet sind, bekommen keine Ausweise, da sie in der bis heute illegalen Siedlung leben. Ohne Dokumente können Roma weder eine reguläre Stelle suchen noch sich krankenversichern oder wählen gehen. Und die Kinder erhalten ohne richtigen Wohnsitz kein Schulabschlusszeugnis.
Eigentlich ist es serbischen Bürgern ohne festen Wohnsitz seit 2011 möglich, das Sozialamt als ihre Adresse anzugeben. Doch die Behörden halten sich häufig nicht daran, klagt Dijana Malbasa vom Humanitären Zentrum in Novi Sad: „Sie schreiben einfach, dass der Antragsteller nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.“
Deutschland ist nicht unschuldig
Deutschland ist nicht ganz unschuldig an dieser Situation. Allein seit Jahresbeginn haben fast 12.000 serbische Bürger einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Die Bundesrepublik hat Serbien schon früher gedrängt, diese Zahl zu verringern. Da Serbien befürchtet, dass die seit 2009 geltende Visumsfreiheit für EU-Länder zurückgenommen werden könnte, seien die Behörden sehr restriktiv mit dem Ausstellen von Dokumenten geworden, kritisiert Dijana Malbasa: „Man kann nicht den Menschen ihr Grundrecht auf einen Ausweis verweigern und sie im Ghetto halten, nur um zu verhindern, dass sie irgendwohin fahren.“ Auch hängen am Flughafen in Belgrad Plakate, die davor warnen, einen Asylantrag zu stellen, sowie Warnungen, dass das Stellen eines Asylantrags in Serbien als Straftat behandelt werde.
Doch bald könnte es für serbische Staatsbürger ohnehin aussichtslos werden, Asyl in Deutschland zu erhalten. Am Freitag (19. September) entscheidet der Bundesrat darüber, Serbien sowie Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Den Bundestag hat die entsprechende Änderung des Asylgesetzes bereits passiert. Ein Drittel aller Asylanträge in Deutschland kommt aktuell aus diesen Ländern, mit dem neuen Gesetz könnten sie pauschal als unbegründet abgelehnt werden. Schon heute ist das bei der überwiegenden Mehrheit von ihnen der Fall.
Viele serbische Roma werden es trotzdem weiter versuchen. Und sei es nur, um im Winter ein Dach über dem Kopf zu haben. Oder, weil sie in Deutschland aufgewachsen sind und sich dort zu Hause fühlen. So wie die 25-jährige Fatima Jahirovic, die mit anderthalb Jahren nach Deutschland kam und dort eine Ausbildung zur Friseurin gemacht hat. Vor neun Jahren wurde sie abgeschoben und musste erst lernen, im Müll nach Essen zu suchen.
„Wenn ich die Chance hätte, zurück nach Europa zu kommen, dann würde ich das machen“, sagt sie in westfälischem Tonfall. Seit zwei Tagen ist Fatima Jahirovic wieder in Deutschland – wie sie es geschafft hat, will sie nicht sagen. Möglicherweise fürchtet sie negative Konsequenzen.