Der illegale Handel mit Flora und Fauna blüht in Russland
Skurrile Mitbringsel aus dem Urlaub
Der illegale Handel mit Flora und Fauna blüht in Russland
Von Veronika Wengert (e-mail: v_wengert@yahoo.com,
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Moskau (n-ost) Seit die Reisefreiheit in Russland Einzug gehalten hat, finden Zollbeamte immer mehr „tierische“ Souvenirs im Gepäck: Exotische Papageien mit zugeklebtem Schnabel, ausgestopfte Kaimane und asiatischer Ginseng sind längst keine Seltenheit mehr an russischen Flughäfen oder Grenzbahnhöfen. Tierschützer schlagen nun Alarm, denn der illegale Handel mit seltenen Tieren und Pflanzen floriert im größten Land der Erde, auf Seiten von Angebot und Nachfrage.
Ein Berg erdfarbener Kartoffeln ist auf einem Foto an der Stellwand des Moskauer Darwin-Museums abgebildet. Sergej Ganusewitsch schüttelt energisch den Kopf. „Sie irren sich, das sind junge Schildkröten, die mit Kreppband verklebt sind“, erklärt der Programm-Manager der Tierschutzorganisation „International Fund for Animal Welfare“ (IFAW). Erst vor kurzem wurden die 160 Tiere in einer großen Markttasche auf dem Kiewer Bahnhof in Moskau von russischen Zollbeamten beschlagnahmt. Mit dem Verkauf der Reptilien hatten sich skrupellose Tierhändler den schnellen Rubel erhofft – doch eine routinemäßige Kontrolle wurde den Schildkröten-Kurieren zum Verhängnis.
Ein klassischer Fall für Ganusewitsch und seine Kollegen: In einem Auffanglager im Moskauer Bezirk Tschaschnikowo werden alle Tiere, die vom Zoll oder von der Polizei beschlagnahmt werden, zunächst versorgt und mit Anti-Stress-Präparaten aufgepäppelt. Das Zentrum ist seit gut einem Jahr aktiv und kooperiert eng mit der Moskauer Staatlichen Universität und den Zollbehörden. Vor allem die Zöllner vom internationalen Flughafen Scheremetjewo halten die Tierpfleger auf Trab: Erst kürzlich wurden knapp 200 verschiedene Papageienarten bei der Einfuhr aus Neuguinea konfisziert. In einer Holzkiste waren etwa 66 Senegal-Papageien zusammengepfercht, ein Vogel lag regungslos auf dem Boden, viele hatten gebrochene Flügel.
Grund der Beschlagnahmung war die fehlerhafte Deklaration: Auf den Zollpapieren waren 44 Vögel weniger angegeben, als die Grenzbeamten beim Öffnen der Kisten tatsächlich gezählt haben. „Die Händler gehen davon aus, dass viele Tiere beim Transport sterben und packen daher oft gleich mehr Papageien ein“, erklärt Peter Püschel vom IFAW Deutschland, der die Vereinigung im Bereich „Illegaler Tierhandel“ auf internationaler Ebene leitet.
Grundlage für die Beschlagnahmung solcher Importe ist das internationale Washingtoner Artenschutz-Abkommen CITES (Convention on International Trade in Endagered Species), das den Handel mit seltenen Tier- und Pflanzenarten regelt und koordiniert. Die Konvention ist 1975 in Kraft getreten und wird von 163 Staaten bereits umgesetzt, Russland hat die Regelung 1992 angenommen.
Ein großes Problem beim illegalen Import sieht Püschel vor allem in der Professionalität der Schmuggler: „Die schwarzen Schafe unter den Händlern wissen genau, wie man einen Zöllner unter Druck setzt. Daher kommen sie oft am Wochenende, wenn meist nur wenige Kollegen Dienst haben oder ein unerfahrener Zöllner mit der Abfertigung beschäftigt ist“, erklärt der Experte für CITES-Fragen. Eine Lösung des Problems könne schnell erzielt werden, wenn der politische Wille vorhanden sei, so Püschel.
Doch nicht nur mit schärferen staatlichen Restriktionen könne man etwas bewirken, vielmehr müsse auch die breite Öffentlichkeit für die Problematik sensibilisiert werden, fordert der engagierte Tierschützer. Denn vor allem Privatleute hätten Mitbringsel wie Korallen, seltene Orchideen, Kakteen oder Gürtel aus Schlangenleder im Gepäck, während die Ein- und Ausfuhr von lebenden Tieren eher von Profis übernommen wird.
Der illegale Handel mit bedrohten Tieren und Pflanzen erreicht nach Angaben von Interpol ein jährliches Umschlagsvolumen von 15 Milliarden US-Dollar weltweit – und ist damit für professionelle Schmuggler-Banden fast genauso lukrativ wie der Drogenhandel. So werden etwa die gemahlenen Hörner der Saiga-Antilope traditionell in der fernöstlichen Heilkunde angewendet und bevorzugt nach China oder Südostasien verkauft; ebenso beliebt sind Tigerfelle, Schlangenhäute, Bärentatzen, Vogeleier oder ausgestopfte Jagdtrophäen wie Falken. Doch auch der seltene asiatische Ginseng, dem potenzsteigernde Wirkung nachgesagt wird, findet seine Käufer jenseits der russischen Grenzen. Derzeit wird ein Kilogramm asiatischer Ginseng nach Angaben des World Wildlife Fund (WWF) für 25 000 US-Dollar gehandelt, während sibirischer Ginseng lediglich 2,50 Dollar kostet. Die Seltenheit der wundersamen Wurzel hat einen blühenden illegalen Handel ausgelöst.
Sergej Subzow zeigt ein gewisses Verständnis für die Wilderer in Russlands Fernem Osten, die vom Aussterben bedrohte Tierarten wie den Amur-Tiger ins benachbarte China liefern: „Oft sind es sehr arme Menschen, die um jeden Rubel kämpfen müssen und sich dadurch ihren Lebensunterhalt sichern“, erklärt der Leiter der Wladiwostoker staatlichen Aufsichtsbehörde für Tiger. In manchen Orten würden gar 80 Prozent der Bevölkerung vom illegalen Tierhandel leben, so Subzow. Der Experte beklagt die mangelnde Zusammenarbeit auf internationaler Ebene: „Während russische Schmuggler bestraft werden, kommen ihre Komplizen auf chinesischer Seite meist ungeschoren davon.“
Längst haben korrupte Banden auch den lukrativen Handel mit schwarzem Kaviar für sich entdeckt: Nur 20 Prozent der begehrten Stör-Eier, die in Russland gehandelt werden, entsprechen der staatlich festgelegten Fangquote. Der übrige Kaviar sei illegal gewonnen, vermutet Marina Woronzowa vom Moskauer Büro des IWFA. Mit offiziellen Zahlen müsse man im Bereich des ungesetzlichen Handels jedoch sehr vorsichtig umgehen, denn oft seien sie nur die Spitze des Eisbergs, klagt die Tierschützerin.
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Veronika Wengert