Reisende spüren Sanktionen
Es waren nur einige kurze Zeilen im Amtsblatt der Europäischen Union, mit denen am vergangenen Mittwoch die Fluggesellschaft „Dobroljot“ in die Sanktionsliste gegen Einzelpersonen und Unternehmen in Russland und der Ukraine aufgenommen wurde. Zunächst fanden sie wenig Beachtung, denn wichtiger als eine Ausweitung der Sanktionen auf nunmehr 93 Personen und 23 Firmen erschienen die beinahe zeitgleich verhängten Sanktionen der Stufe drei, die ganze Sektoren der russischen Wirtschaft betreffen.
Bereits am Sonntag wurden Reisenden am Moskauer Flughafen Scheremetjewo jedoch die unmittelbaren Folgen der Maßnahme deutlich, als von einem Moment auf den nächsten sämtliche Dobroljot-Flüge gestrichen wurden. Aufgrund der EU-Sanktionen sei man gezwungen, den Flugbetrieb „vorläufig einzustellen“, schreibt Dobroljot auf ihrer Webseite. Die Billigfluggesellschaft ist ein Tochterunternehmen der staatlichen „Aeroflot“. Gegründet wurde Dobroljot erst in diesem Jahr, die ersten Flüge gingen auf die Krim.
Lufthansa stoppt die Wartung der Maschinen
Der Schlag gegen Dobroljot offenbart die völlige Abhängigkeit des Unternehmens von ausländischen Partnern. Informationen der unabhängigen Tageszeitung „Kommersant“ zufolge hatte das irische Unternehmen SMBC Aviation Capital wegen der Sanktionen einen Leasing-Vertrag für Flugzeuge des Typs Boeing 737 gekündigt. Und die Technik-Sparte der Lufthansa sah sich außerstande, weiterhin die Wartung der Maschinen zu übernehmen.
Den Passagieren, die mit Dobroljot Flüge von Moskau auf die Krim oder nach Wolgograd gebucht haben, soll kein Schaden entstehen: Ihre Flüge werden von Orenburg Airlines, einem weiteren Tochterunternehmen von Aeroflot, übernommen. Andererseits verkomplizieren Sanktionen gegen Transportunternehmen auch die Reiseplanung europäischer Touristen in Russland: Wenn EU-Bürger ein Flugticket von Dobroljot kaufen, verstoßen auch sie automatisch gegen die Sanktionen und machen sich – je nach Rechtslage in ihrem Heimatland – unter Umständen strafbar. Dies bestätigte die Europäische Kommission auf Anfrage dieser Zeitung. Weitere russische Fluggesellschaften befinden sich derzeit nicht auf der Sanktionsliste.
Der schwache Rubel tut sein Übriges
Nicht immer sind es direkte Sanktionen, die ein Unternehmen zur Aufgabe bewegen: Ebenfalls am Wochenende gab der Moskauer Reiseanbieter „Labirint“ bekannt, seine Tätigkeit mit sofortiger Wirkung einzustellen. Medienberichten zufolge sind etwa 25.000 russische Reisende betroffen, die sich derzeit in südeuropäischen Ländern wie Griechenland, Zypern oder Spanien befinden und ihre Reisen bei „Labirint“ gebucht haben. Zu den Gründen, die zur Geschäftsaufgabe führten, zählt der Veranstalter den gesunkenen Rubel-Kurs, der sich auf die Zahlungsfähigkeit der Kunden ausgewirkt habe und allgemein die „negative politische und wirtschaftliche Situation“. Zu schaffen machen dem Geschäft aber offenbar auch die russischen Behörden: Diese haben Wehrpflichtigen ebenso wie einer Reihe von Staatsbeamten nahegelegt, in diesem Jahr auf Auslandsreisen zu verzichten.