Politische Krise infiziert Bulgariens Banken
Lange Schlangen vor Bankfilialen haben vergangene Woche in Bulgarien düstere Erinnerungen an den katastrophalen Banken-Crash Mitte der 1990er Jahre geweckt, der viele Bulgaren verarmen ließ. Eine Woche nachdem die natioanle Bankenaufsicht die in Schieflage geratene Korporative Handelsbank (KTB) unter ihre Kontrolle genommen hatte, tauchten am vergangenen Freitag verunsicherte Kunden vor den Filialen der Ersten Investitionsbank (PIB) auf, um ihr Geld abzuheben. Sie waren dazu durch anonyme Internetnachrichten und SMS animiert worden, die von afrikanischen Servern aus versandt worden sein sollen. 800 Millionen Lewa, knapp 400 Millionen Euro, soll die PIB am Freitag ausgezahlt haben.
Als kriminelle Attacke gegen die nationale Sicherheit werteten Regierungs- und Oppositionspolitiker die Warn-SMS. Mehrere Männer wurden am Wochenende festgenommen. Politiker beteuerten derweil unisono mit Wirtschaftsexperten, Bulgariens Finanz- und Bankensystem sei unvergleichlich stabiler als vor knapp 20 Jahren. Die Europäische Kommission hat dem bulgarischen Staat inzwischen genehmigt, den nationalen Banken eine Liquiditätsspritze in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro zu gewähren, um das Vertrauen der Bulgaren in ihre Banken zu stärken und das Risiko weiterer Panikreationen zu minimieren.
Steckt ein Zwist zwischen Medienmogul und Unternehmer dahinter?
Beobachter sehen den Bank-Run in Zusammenhang mit dem erbitterten Konflikt zweier früherer Bündnispartner, der Bulgarien seit Wochen in Atem hält. Der Abgeordnete der mitregierenden Türkenpartei Deljan Peevski und der Unternehmer Tsvetan Vassilev hatten jahrelang ein Tandem mit schier unbegrenzten Einflussmöglichkeiten in Bulgariens Politik und Wirtschaft gebildet. Vassilevs Bank KTB finanzierte die von Peevski beherrschte mächtigste Mediengruppe des Landes. Deren Medien wiederum bereiteten Vassilevs expansiver Unternehmensstrategie den Boden, diskreditierten potenzielle Geschäftskonkurrenten oder politische Gegner.
Warum sich Vassilev und Peevski nun seit Wochen über die Medien Schlammschlachten liefern und sich gar gegenseitig Mordabsichten vorwerfen, ist unklar. Halten manche Beobachter einen Streit um die Macht im einstmals staatlichen Tabakkonzern Bulgartabac für wahrscheinlich, so vermuten andere Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit dem vorerst gestoppten Projekt der russischen Gaspipeline South Stream. Die EU-Kommission hatte dessen Einstellung gefordert, weil die Ausschreibungen nicht den Standards besprochen hätten, bulgarische und russische Firmen sollen bevorzugt worden sein.
Der Ansturm ist vorbei, die Unsicherheit bleibt
Am Montag schien sich die Situation in Bulgarien beruhigt zu haben, es gab keine Schlangen vor Bankfilialen mehr. Die Frage aber, wer hinter der Aktion gegen die PIB steckt und welche Absicht er damit verfolgt, dürfte Bulgariens Öffentlichkeit weiter beschäftigen – zumal Bulgarien nach nur einem Jahr wieder vor einem nationalen Wahlkampf steht: Nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Europawahl soll die von der sozialistischen BSP und der liberalen Türkenpartei DPS Ende Mai 2013 gebildete Regierung bis zum 25. Juli zurücktreten. Präsident Rossen Plewneliew löste am Sonntag das Parlament zum 6. August auf.
So könnte die Attacke gegen Bulgariens Bankensystem einerseits der Paukenschlag sein zum Auftakt eines wie gewohnt schmutzigen Wahlkampfes. Der Politologe Ognjan Mintschev, Chef von Transparency International Bulgarien, sieht aber auch eine internationale Dimension der Affäre und durchaus Parallelen zur Bankenkrise der 1990er Jahre: So wie 1996 der Verkauf bulgarischer Infrastruktur an Gazprom eingefroren wurde, sei nun das South-Stream-Projekt eingefroren worden. „Nun haben sich die an seiner Realisierung interessierten Kreise zum Handeln entschlossen“, äußerte Mintschev seine Version der Hintergründe gegenüber dem TV-Sender Nova TV.