Ukraine

Die Wächter des Prunks

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Aus den Zwingern nebenan tönt lautes Bellen, doch die Tibetdogge lässt sich davon wenig beeindrucken. Wie ein feuerrotes Wollknäuel liegt das Tier entspannt in der Frühlingssonne und mustert die Besucher. Rüde Ken ist es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Er hat schon bei vielen Hundeschauen abgeräumt.

Die anderen Hunde bellen sich die Seele aus dem Leib, springen an das Eisengitter und fletschen die Zähne. „Sie sind den Rummel nicht gewöhnt. Vor der Revolution haben sie nur uns, das Personal, gekannt“, sagt die Tierärztin Anna Grankina und krault einem kaukasischen Schäferhund den Bauch. „Aber sie werden sich schon noch daran gewöhnen.“

Als die ersten Besucher nach der Flucht von Viktor Janukowitsch dessen Luxusanwesen Meschihirija nahe Kiew durchkämmten, kam so manches Faible des ehemaligen ukrainischen Präsidenten zum Vorschein. Ein Fuhrpark mit sündteuren Oldtimern, ein Golfplatz, ein Bootsrestaurant. Und eine Schwäche für exquisite Rassehunde – aus China, dem Kaukasus und Zentralasien.


Der Hundetrainer ist geblieben

Vor allem Tibetdogge Ken ist eine Rarität. Die Ausfuhr aus China ist eigentlich verboten. Ein rothaariges Exemplar wie Ken wurde zuletzt für umgerechnet sagenhafte 1,4 Millionen Euro verkauft. Die meisten der 17 Tiere sind Geschenke aus den höchsten Regierungskreisen und zeichnen die engen diplomatischen Beziehungen der Ukraine unter Janukowitsch nach – China, Turkmenistan, Russland. Ein eigener Raum ist den Titeln gewidmet, die die Tiere bei Hundeschauen gewonnen haben, flankiert von silbernen Futtertrögen und Hundeskulpturen aus Porzellan.

Das Herrchen hat sich längst nach Russland abgesetzt, doch die Tiere sind geblieben – und mit ihnen Hundetrainer Nikolaj Garus. Als er vor fünf Jahren in die Dienste Janukowitschs trat, war hier am Ufer des Kiewer Sees noch nichts als grüne Wiese. Er hat die Hundefarm mit aufgebaut. „Ich kenne die Hunde seit dem ersten Tag. Ich trage Verantwortung für sie. Es wäre Betrug, wenn ich jetzt einfach abhaue“, sagt der 34-jährige Nikolaj.

Als Janukowitsch in den Wirren der Februartage aus dem Anwesen floh, herrschte auch hier Ausnahmezustand. „Unsere Nervosität hat sich auf sie übertragen. Sie haben gemerkt, dass etwas nicht stimmt“, sagt Nikolaj. Stundenlang hätten sie gebellt, eine Hündin habe sogar Tränen in den Augen gehabt, beteuert Nikolaj. „Sie hatte Angst, dass wir sie jetzt alleine lassen.“ Drei herrenlose Hunde hätten sie zudem auf dem Areal aufgelesen, nachdem auch das Sicherheitspersonal getürmt war.


Über 5.000 Euro für Hundefutter

Auch die Tierärztin Anna ist geblieben. „Was können denn bitte die Hunde dafür?“, fragt sie und führt Besucher im blauen Trainingsanzug und mit akkuratem Lidstrich von Zwinger zu Zwinger. Für jeden Hund hat sie einen Kosenamen parat, über das Herrchen möchte sie kein schlechtes Wort verlieren. „Janukowitsch hat sie sehr geliebt. Er hatte immer eine persönliche Beziehung zu den Tieren.“ Er habe alle Hunde beim Namen gekannt, sie regelmäßig selbst gefüttert und immer genau über den Gesundheitszustand Bescheid gewusst. Besuchern habe Janukowitsch die Tiere immer mit großem Stolz gezeigt. Mindestens einmal pro Woche habe er sich Zeit für die Tiere genommen, sagt Anna: „Die Hunde waren sein ganzer Stolz, ich sehe das so.“ „Hier konnte er sich wirklich entspannen“, sagt Hundetrainer Nikolaj.

Mit dem Umsturz ist aber auch in der Hundefarm kein Stein auf dem anderen geblieben. Geld spielte unter Janukowitsch keine Rolle. Bis zu 90.000 Hrywnja (5.700 Euro) wurden im Monat allein für Hundefutter ausgegeben, wie Journalisten aus Einkaufslisten errechnet haben. Mindestens 15.000 Hrywnja (knapp 1.000 Euro) müssen die Mitarbeiter jetzt monatlich zusammenkratzen, um die Hunde zu füttern. Sie selbst arbeiten unentgeltlich.

Die meisten der 16 Mitarbeiter haben deswegen das Handtuch geworfen. Das bedeutet mehr Arbeit für jene fünf, die geblieben sind: „Drei müssen ständig da sein, um die Hunde zu versorgen“, sagt Anna. Derzeit halten sie sich damit über Wasser, Besucher über die Anlage zu führen. Ein Hundehotel, eine Tierarztpraxis und eine Hundeschule sind geplant.

Das Schicksal der Tiere ist indes noch ungewiss. Genau genommen sind sie jetzt Staatseigentum, denn das Anwesen Meschihirija, dessen Besitz Janukowitsch über Strohfirmen im Ausland verschleiert hatte, ist inzwischen verstaatlicht worden. „Sie sind Wachhunde und haben ihr ganzes Leben hier verbracht. Ich finde, sie haben ein Recht, hierzubleiben“, sagt Nikolaj. Für welches Herrchen sie in Zukunft über das Areal wachen werden, steht somit noch in den Sternen.


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