Der weiße Tod: Tuberkulose in Moldau
Die Bilder der kranken Menschen in deinem neuen Buch sind zum Teil sehr drastisch – warum widmest du dich diesem Thema, warum konfrontierst du die Leser damit?
Ich möchte zeigen, dass es sich bei Tuberkulose um eine Krankheit handelt, an der vor allem in Armut lebende Menschen leiden. Es wurden Chancen vertan, effektiv gegen die Krankheit zu kämpfen. Dafür muss jetzt der Preis bezahlt werden. Hinter den Zahlen und Statistiken stehen außerdem immer einzelne Menschen, die ihren Schicksalen hilflos ausgeliefert sind.
Wie oft und wie lange warst du in dem Land am östlichen Rand der EU, um diese Menge an relevanten Bildern zu fotografieren?
Insgesamt zweimal für jeweils fast drei Wochen.
Gab es ein Schicksal, dass dich besonders berührt hat im Laufe deiner Recherchen?
Besonders berührt hat mich der Fall von Tatjana. Sie ist mit 21 Jahren gestorben. Die Krankheit wurde bei ihr viel zu spät diagnostiziert und führte zu einem kompletten Zusammenbruch, als eine bakterielle Meningitis hinzukam. Innerhalb von 48 Stunden nach dem Besuch beim Hausarzt war sie tot. Sie hinterließ eine Tochter von 11 Monaten, die jetzt von Tatjanas jüngerer Schwester aufgezogen wird. Die Angehörigen haben uns zur Trauerfeier und zur Beerdigung in ihrem Dorf im Süden der Republik Moldau eingeladen. Ihr Bruder ist ebenfalls TB-infiziert, die Familie lebt ohne elektrisches Licht und ohne Heizung in zwei Zimmern einer notdürftigen Behausung in extremer Armut.
Auf dem Begräbnis hast du starke und sehr direkte Bilder gemacht - haben es die Angehörigen nicht als pietätlos empfunden, dort zu fotografieren?
Ganz im Gegenteil, die Angehörigen haben mich geradezu gedrängt, Bilder zu machen, weil sie es geschätzt haben, dass jemand Anteil an ihrem Schicksal nimmt.
Hattest du Sorgen, dich anzustecken, als du zu Besuch in den vielen Häusern, Wohnungen und Krankenhäusern warst?
Ganz sorgenfrei ist man natürlich nie. In den Krankenhäusern musste ich auf der Intensivstation eine Maske tragen.
Gab es neben den vielen deprimierenden Geschichten auch solche, die Anlass zur der Hoffnung geben, dass sich nicht immer wieder Menschen mit dieser potenziell tödlichen Krankheit anstecken?
Eigentlich nicht.
Muss man Deiner Meinung nach als Fotograf besonders distanziert oder besonders einfühlsam sein, um solche direkten Bilder machen zu können?
Ich denke, es ist keine Frage von Distanziertheit oder Einfühlsamkeit. Ich weiß ja vorher nicht, was mich erwartet. Jede Situation ist neu. Man trifft Menschen, mit denen man, sei es auch nur für kurze Zeit, eine Beziehung aufbaut. Wenn man diese Menschen mit Respekt zu behandeln versucht und sich für sie interessiert, dann ist Einfühlsamkeit eine Voraussetzung.
Wo kann das Buch gekauft werden? Kommt der Erlös auch der Tuberkulosebekämpfung zu Gute?
Das Buch ist entweder direkt über mich zu beziehen oder über das Koch-Metschnikow-Forum. Es wird eingesetzt, um Spendengelder zu sammeln und Spender anzuregen, Einrichtungen vor Ort zu unterstützen.
Natürlich gibt es in der Republik Moldau auch Episoden abseits des Elends – was fasziniert dich an diesem Land, das im Bewusstsein der meisten Westeuropäer nicht existiert?
Die Gastfreundschaft auf dem Land ist überwältigend. Die Menschen sind hilfsbereit und offen.
Du bist gerade auf dem Weg zur Krim - was sind deine nächsten fotografischen Projekte?
Ich arbeite an einem langfristig angelegten Projekt über das Schwarze Meer. Zu diesem Zweck versuche ich das Leben der Krim-Tataren zu dokumentieren, die in diesen Tagen in extremer Unsicherheit leben.
Zur Reportage über Tuberkulose in der Republik Moldau
Der weiße Tod
Tuberkulose in Moldawien
Text: Timo Ulrichs / Fotografien: Florian Bachmeier
Zu bestellen bei Florian Bachmeier (mail@florianbachmeier.com) oder über das Koch-Metschnikow-Forum.