Olympia live erleben
ostpol: Die Uniform der Freiwilligen in Sotschi ist ja sehr bunt. Wie gefällt sie Ihnen?
Janine Hannemann: Unsere Kleidung ist wirklich sehr auffällig, und am Anfang war ich auch überrascht. Aber unsere Uniformen gehören mittlerweile einfach zum Erscheinungsbild der Olympischen Spiele in Sotschi dazu und wir tragen sie alle sehr gern.
Ist so ein Schneeanzug nicht zu warm für das subtropische Klima in Sotschi? Unten an der Küste, wo die Stadien für Eiskunstlauf oder Eishockey stehen, sonnen sich viele Besucher ja sogar.
Das Problem habe ich nicht, da ich immer oben in den Bergen im Einsatz bin. Ich arbeite auf der Skipiste, deshalb ist so ein Anzug für mich genau richtig.
Welche Aufgaben haben Sie?
Hannemann: Ich gehöre zur so genannten Ski Alpin Cross Crew. An Wettkampftagen fahre ich zwischen den verschiedenen Läufern auf die Piste und lösche sozusagen die Spuren des vorherigen Fahrers, damit jeder die gleichen Bedingungen hat. Wenn keine Wettkämpfe sind, bereiten wir die Piste für die Rennen vor. Im Vergleich zu anderen Freiwilligen habe ich relativ oft frei – fast jeden dritten Tag.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Freiwillige bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi zu werden?
Hannemann: Ich arbeite neben meinem Studium als Skilehrerin und habe vor zwei Jahren im Internet eine Ausschreibung gesehen, dass die Organisatoren gerade für den Ski Alpin-Bereich Freiwillige suchen.
Und wie lief die Bewerbung ab?
Hannemann: Zuerst musste ich einen riesigen Fragebogen ausfüllen mit persönlichen Daten. Das hat fast zwei Stunden gedauert und die nächste Runde war ein einstündiges Interview per Skype. Da wurde ich zum Beispiel gefragt, wann ich zuletzt jemandem geholfen habe. Dann gab es noch ein Interview zu meinem sportlichen Können und einen Sprachtest auf Englisch. Im August 2012 habe ich dann eine endgültige Zusage bekommen. Den Flug habe ich selber bezahlt, aber Unterkunft und Verpflegung hier sind kostenlos.
Gibt es Regeln während der Olympischen Spiele für Freiwillige?
Hannemann: Alkohol und Drogen sind verboten und wir dürfen nicht über internes sprechen.
Inwieweit hat das Austragungsland Russland für Sie eine Rolle bei der Bewerbung gespielt?
Hannemann: Das Land war zweitrangig für mich. Vor allem wollte ich bei diesem größten Sportereignis der Welt dabei sein als Freiwillige, es live erleben. Ich spreche kein Russisch und war noch nie in Russland vorher.
Mit welchen Erwartungen oder Befürchtungen sind Sie nach Sotschi gefahren - vor allem nach den Terroranschlägen in Wolgograd Ende Dezember?
Hannemann: Ich war schon besorgt. Zum Glück haben sich die Befürchtungen nicht bestätigt und es ist alles ruhig hier. Ich bin sehr positiv überrascht und fühle mich unheimlich wohl und sicher. Es dauert zwar eine Weile bis man warm wird mit den Russen, vor allem weil nur so wenige Englisch sprechen – selbst von den Freiwilligen. Aber wenn das Eis erst einmal gebrochen ist, dann sind Russen sehr herzlich und offen.
Die Olympischen Spiele in Sotschi werden begleitet von Kritik an Umweltzerstörung und Korruption bei den Vorbereitungen und der allgemeinen Lage der Menschenrechte in Russland. Finden Sie, dass Medien und Menschenrechtsaktivisten weltweit Russland übertrieben kritisieren?
Hannemann: Nein, das ist sicher nicht übertrieben. Als ich mich als Freiwillige beworben habe, war über diese Seite der Spiele noch wenig zu lesen. Das ist ein schwieriges Thema. Aber für mich steht im Vordergrund die teilnehmenden Sportler zu unterstützen. Ich bereue es nicht hier zu sein.
Russland will sich ja mit Hilfe der Olympischen Spiele als modernes, weltoffenes Land präsentieren. Gelingt das?
Hannemann: Man merkt sofort, dass alle sich sehr viel Mühe geben. Aber die Sprachbarriere ist unheimlich groß, sowohl bei den Jüngeren als auch bei den Älteren. Dadurch sind die kulturellen Barrieren doch relativ hoch. Was mir auffällt: Viele Russen wundern und freuen sich, dass wir Freiwilligen so viel lächeln, ihnen Hallo sagen oder ihnen einfach so die Hand geben. Oft wollen sie Fotos von einem machen. Ich freue mich, dass wir so positiv aufgenommen werden.
Werden Sie noch einmal nach Sotschi oder Russland fahren?
Hannemann: Ich möchte auf jeden Fall die Menschen wieder besuchen, die ich hier kennen lerne und auch andere Regionen des Landes sehen. Vor allem reizt es mich in drei oder vier Jahren wieder nach Sotschi zu kommen, um zu sehen, was aus der Region geworden ist.
Glauben Sie als Ski-Expertin, dass Sotschi es schaffen wird zu einem international beliebten Skigebiet zu werden?
Hannemann: International gesehen wird es schwierig, weil es einfach dauert bis sich ein Skigebiet etabliert und weil die Anbindung kompliziert ist – man muss ja über Moskau fliegen. Für uns Deutsche ist es natürlich viel leichter in den Alpen zu fahren. Aber das Gebiet hier ist sehr reizvoll. Vor allem die Tatsache, dass man innerhalb von einer Stunde vom Strand mit Palmen in die Berge kommt, finde ich genial.