Sotschi nach Olympia
Palmen, Badestrände, Sanatorien – zu Sowjetzeiten war Sotschi ein Sehnsuchtsort. Den alten Glanz hat das subtropische Ferienziel lange eingebüßt, Russen fahren heute lieber ins Ausland als an die „russische Riviera“. Das soll sich mit den Olympischen Spielen ändern, die Destination Sotschi soll eine Renaissance erfahren. Mehr als 50 Milliarden Dollar haben Infrastruktur und Sportstätten für die Spiele verschlungen. Für wenige Wochen genießt die Stadt nun die Aufmerksamkeit der ganzen Welt. Doch wer reist nach Sotschi, wenn das olympische Feuer erloschen ist?
Präsident Wladimir Putin will künftig vor allem russische Wintersportfans anlocken, aber auch Gäste aus dem Ausland. „Nach den Olympischen Spielen werden die Sportstätten das Fundament für das erste russische Wintersportzentrum bilden“, so Putin. Millionen sollen das ganze Jahr über in die Region reisen und die neuen Skipisten hinabjagen, aber auch im Schwarzen Meer baden. Außerdem, so Dmitrij Tschernyschenko, Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele, werde Sotschi eine Visitenkarte für das ganze Land sein und zeigen, dass Russland Touristen mehr zu bieten habe als die Metropolen Moskau und St. Petersburg. „Sotschi ist das Schaufenster für das moderne Russland“, erklärt Tschernyschenko.
Zum Skifahren geht es in die Alpen statt in den Kaukasus
Damit die Olympiastadt auch in Zukunft Aufmerksamkeit erfährt, lädt Putin im Juni die Staats- und Regierungschefs der G8 zum Gipfeltreffen nach Sotschi. Im Oktober drehen die Fahrer der Formel-1 hier erstmals ihre Runden. Darüber hinaus finden das Jahr über verschiedene Fachmessen statt.
Ob sich der Süden Russlands wieder als begehrtes Reiseziel etablieren kann, ist jedoch fraglich. Früher war das Badeparadies, gelegen auf demselben Breitengrad wie Nizza, ein ganz besonderes Reiseziel in der Sowjetunion. Heute fahren die Russen lieber nach Ägypten, in die Türkei oder nach Thailand, wo die Preise niedriger sind als in der Heimat und der Service und das Essen besser. Zum Skifahren geht es in die Alpen statt in den Kaukasus.
Die russische Tourismusbranche fürchtet ohnehin, dass Sotschi seine Chance vertan hat, den Tourismus in der Region zu fördern. Ein Gremium der Stadtverwaltung, das am Image der Stadt für die Zeit nach Olympia arbeiten soll, hat erst im vergangenen Herbst seine Arbeit aufgenommen. „In Sotschi denkt man wohl, dass jetzt die ganze Welt die Stadt kennt. Aber selbst wenn alle diesen Ferienort kennen, bedeutet das lange noch nicht, dass alle dorthin reisen werden“, kritisiert Jurij Barsykin, Vize-Chef des Verbandes der russischen Tourismusindustrie. Dabei spielte die Entwicklung des Wintersports in der Region bereits bei der Olympia-Bewerbung eine wichtige Rolle.
„Die Chancen für Sotschi als Reisedestination stehen nicht gut“
Bis zu sechs Millionen Touristen will die örtliche Verwaltung pro Jahr nach Sotschi locken. Die aktuellen Zahlen variieren, mal ist von zuletzt vier Millionen Besuchern im Jahr die Rede, in anderen Medienberichten heißt es, in der ersten Jahreshälfte 2013 seien 900.000 Menschen nach Sotschi gereist, über ein Viertel weniger als im Vorjahreszeitraum. Fest steht: Die Besucherzahlen sind seit Jahren rückläufig, unter anderem wegen Baulärm, Schmutz und anderer Unannehmlichkeiten während der Olympia-Vorbereitung.
Gleichzeitig hat die russische Regierung noch viel größere Träume, Sotschi soll nur der Anfang sein. Moskau plant ein Skiparadies, das sich über den gesamten Nordkaukasus erstrecken soll: 1.097 Kilometer Piste, 228 Skilifte, vom Schwarzen bis ans Kaspische Meer. Nach drei Jahren Planung existiert das Mammutprojekt aber noch immer quasi nur auf dem Papier.
Auch mit einem großen Besucherandrang aus dem Westen ist nach den Olympischen Spielen eher nicht zu rechnen. Hohe Kosten, fehlende Flugverbindungen und strenge Visa-Regeln sind nur einige Gründe. „Die Chancen für Sotschi als Reisedestination stehen nicht gut“, sagt Astrid Beck, für Russland zuständige Produktmanagerin beim Reiseveranstalter Dertour, dem offiziellen Partner des Deutschen Olympischen Sportbundes. Für Wintersport in Russland gebe es in Deutschland derzeit „so gut wie keine Nachfrage“.