Deutsche Welle unter Druck von Oligarchen
Kein Tag vergeht in Bulgarien zurzeit ohne Demonstrationen. Seit mehreren Monaten gehen die Bulgaren auf die Straße. Sie werfen der Regierung vor, mit Oligarchen gemeinsame Sache zu machen und fordern ihren Rücktritt. In den vergangenen beiden Wochen richtete sich ihr Protest gegen eine Einrichtung, die bisher als frei von diesem Einfluss galt: die Deutsche Welle in Bulgarien.
Dem Druck eines Oligarchen nachgegeben?
Die Deutsche Welle hatte am 12. September zwei freien Mitarbeitern wegen „Nichteinhaltung journalistischer Standards“ gekündigt. Es handelte sich um den bekannten Blogger Ivan Bedrov und die Journalistin Emi Baruch. Als Grund gab die Deutsche Welle an, die beiden hätten journalistische Standards nicht eingehalten.
Zuvor hatte der deutsche Auslandssender einen Beschwerdebrief über eine angebliche Verleumdungskampagne von der bulgarischen Corporate Commercial Bank AD (CCB) erhalten. Baruch und Bedrov vermuteten deshalb einen anderen Grund für die Kündigung: Die deutsche Einrichtung habe dem Druck des Aufsichtsratschefs der Bank Zvetan Vassilev nachgegeben.
Beschwerden bei der Zentrale in Bonn
Die bulgarische Öffentlichkeit reagierte mit Empörung. Die Zentrale der Deutschen Welle in Bonn geriet durch Dutzende von Briefen und Anrufen bulgarischer NGOs und Journalisten in Bedrängnis. Die Menschenrechtler vom bulgarischen Helsinki-Komitee forderten den vom deutschen Bundeshaushalt finanzierten Sender auf, Ermittlungen zu den intransparenten Medienbesitzverhältnissen in Bulgarien aufzunehmen.
Der Druck hat offenbar gewirkt: Die Deutsche Welle kündigte am vergangenen Freitag an, sie werde die beiden Journalisten wieder beschäftigen. In einer Stellungnahme heißt es, die Dienstverhältnisse seien lediglich eingefroren, aber nicht beendet worden. „Die Deutsche Welle wird sich nicht von irgendeiner Gruppierung zu innenpolitischen Zwecken instrumentalisieren lassen“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Das Image hat gelitten
„Unser Image hat durch diese Geschichte gelitten“, räumt der Chef der bulgarischen Redaktion der Deutschen Welle, Alexander Andreev, ein. Er persönlich habe Baruch und Bedrov mehr Freiheit gewährt als Korrespondenten gebühre. Offiziell hatte die Deutsche Welle die Entlassung damit begründet, die Journalisten hätten nicht neutral genug über die Regierungskrise in Bulgarien und die Verstrickungen im Fall der CBB-Bank berichtet. Sie hätten in ihren Beiträgen weder verschiedene Standpunkte einbezogen noch ihre Meinung auf überprüfbaren Fakten gebildet. Nun sei man in der Redaktion um Qualitätssicherung bemüht.
In dem dreizehnseitigen Schreiben vom 30. August an die Leitung der Deutschen Welle, das n-ost vorliegt, hatte sich das Management der CCB-Bank über Falschmeldungen von Baruch und Berov in Bezug auf den Mehrheitsaktionär der Bank Zvetan Vassilev beschwert. Die Kommentare hätten fälschlicherweise auf eine Finanzierung seinerseits zugunsten der größten Mediengruppe Bulgariens, der New Bulgarian Mediengroup Holding, hingedeutet. Der Brief endete mit der Forderung, dass sich durch „sofortige Maßnahmen“ eine Überweisung des Falls an die oberen bulgarischen und europäischen Behörden und Institutionen verhindern ließe.
CCB ist nicht irgendeine Bank in Bulgarien. Bei ihr konzentrieren sich etwa 87 Prozent der Gelder der staatlichen Energiebetriebe. Schon lange wird vermutet, dass die CCB über ein eigenes Medienimperium den Regierenden genehme Berichterstattung sichert. Bewiesen wurde dies bisher allerdings nicht. Auch nicht der Verdacht, dass die Finanzgruppe um Aufsichtsratschef Vassilev als Gegenleistung die meisten Ausschreibungen bei Firmen mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung gewinnt.
Die Situation der bulgarischen Medien hat sich verschlechtert
Im März dieses Jahres kündigte die Interimsregierung von Präsident Rossen Plevneliev an, einer solchen Konzentration von Aufträgen entgegenzuwirken. Vor der Einführung der Neuregelung erschien in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ ein Interview mit dem bis dato unbekannten Aufsichtsratschef Vassilev. Darin beschuldigte er den Präsidenten, mit seinen Plänen die Interessen des Konkurrenzunternehmens Economedia AD zu bedienen. Nach dem „Standard“-Interview rätselte man in Sofia, ob dies ein bezahlter Artikel war. Die Vermutung liegt nahe, dass die CCB versuchte, nicht nur bulgarische, sondern auch internationale Medien zu beeinflussen.
„Der Druck auf die Medien, der in Bulgarien funktioniert, hat bei westlichen Medien keine Chance“, begrüßte der wieder eingestellte Blogger Ivan Bedrov die neue Entscheidung der Deutschen Welle. Diese Botschaft sei wichtig, damit sich die Bulgaren bei ihrem Kampf um Demokratie vom Westen nicht verraten fühlten.
Bulgarien ist im Pressefreiheitsranking von „Reporter ohne Grenzen“ von Platz 35 im Jahr 2006 auf Rang 80 abgerutscht und hat somit den schlechtesten Wert in der EU. „Die Deutsche Welle wird hier nicht nur als Stimme Deutschlands wahrgenommen, sondern auch als Beitrag zur Medienvielfalt geschätzt”, sagt der Leiter des Medienprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung, Christian Spahr.