Moldawien

Im Weinkrieg mit Russland

Der Morgennebel hängt noch über Costesti, einem kleinen Ort in der Nähe von Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldau. Grigorie Bivol ist unterwegs zu den Feldern, auf denen die Trauben in endlosen Reihen reifen. „Es war ein sehr gutes Weinjahr“, sagt der 42-Jährige. Freuen kann er sich darüber nicht, denn wie viele Winzer in Moldau bleibt Bivol zurzeit auf seinem Wein sitzen: Anfang September hat Hauptabnehmer Russland alle Weinimporte aus der Republik Moldau gestoppt. Die russische Hygieneinspektion hatte behauptet, dass 50 Prozent der Weine Verunreinigungen enthielten. „Seitdem weiß ich nicht, ob mir die Weinproduzenten in diesem Jahr noch meine Ernte abkaufen“, sagt Bivol.

Moldauische Weingüter exportieren bis zu 70% ihrer Ernte nach Russland

Die Weinproduktion ist einer der wenigen hoffnungsvollen Wirtschaftszweige in der Republik Moldau, die mit einem Bruttosozialprodukt von nur 5,4 Milliarden Euro eines der ärmsten Länder Europas ist. Die Weinproduktion des kleinen, zwischen Rumänien und der Ukraine gelegenen Landes ist der einzige Wirtschaftszweig, der seit 1990 beständig wächst. Kaum größer als das Bundesland Nordrhein-Westfalen, besitzt Moldau heute die zehntgrößte Rebfläche weltweit.

Wie Grigori Bivol hatten tausende Weinbauern ihre gesamten Ersparnisse in neue Weinfelder investiert. Einen Großteil ihrer Ernte verkaufen die Bauern des 12.000-Seelen-Ortes Costesti an Viktor Bostan. Er leitet „Purcari“, eines von Moldaus angesehensten Weingütern. Selbst das britische Königshaus bestückt seinen Keller mit edlen Purcari-Weinen.

„Das Importverbot trifft uns hart, 18 Prozent unserer Produktion gehen nach Russland“, sagt Bostan. Andere, wie das Weingut „Aroma“, exportieren dorthin sogar bis zu 70 Prozent. „Wenn Russland den Importstopp nicht innerhalb von zwei Monaten aufhebt, gehen unserem Land 17 Millionen Euro verloren, mehr als zehn Prozent des gesamten Staatsetats“, beschreibt Finanzminister Anatol Arapu die Situation.

Verunreinigung“ der russischen Außenpolitik

„Es geht hier nicht um Weinverunreinigungen“, erklärt der Politologe Petru Bogatu von der Universität Chisinau den eigentlichen Grund des Importverbots. „Moldau exportiert Weine in mehr als 23 Länder. Dass Russland deren Qualität plötzlich beanstandet, hat also mehr mit Verunreinigungen der russischen Außenpolitik zu tun.“

Es sei kein Zufall, dass der Kreml diesen Weinkrieg vor dem EU-Gipfel im November vom Zaun bricht, auf dem Moldau und die EU erklären wollen, dass ein Assoziierungsabkommen unterschriftsreif ist. „Moskau will das nicht und zeigt deshalb seine Folterwerkzeuge“, sagt Bogatu.

Bereits jetzt werden die Folgen sichtbar, erklärt der Generaldirektor der staatlichen Weinagentur, Valeri Mironescu. „Wegen des Importstopps liegen derzeit 75 Prozent der Kapazitäten unserer Weinproduzenten brach.“ Einige Firmen beginnen bereits mit der Verlagerung ihrer Produktionsanlagen nach Rumänien. 150 Weinerzeugern droht in Kürze die Pleite.

Wohnungen bleiben kalt

Falls die EU auf dem Gipfel in Vilnius wirklich bekräftigt, dass sie das Assoziierungsabkommen mit Moldau in naher Zukunft unterschreiben wird, will Russland die Daumenschrauben weiter anziehen. Schon vor dem Verbot der Wein-Importe drohte Vize-Premier, Dimitri Rogosin, dass die Wohnungen des von russischem Gas abhängigen Landes in diesem Winter kalt bleiben könnten.

Als weitere Eskalationsstufe deutete Rogosin sogar an, den eingefrorenen Konflikt um Transnistrien wieder aufzutauen, was neue Spannungen an den zukünftigen EU-Außengrenzen befürchten lässt. Transnistrien hatte sich mit russischer Unterstützung 1992 von der Republik Moldau abgespalten. Es wird von Moskau zwar nicht anerkannt, finanziell aber ausgehalten. Außerdem schuldet es Russland 3,5 Milliarden Dollar für Gaslieferungen, die Moskau im Ernstfall von Chisinau einfordern will, das darauf besteht, dass Transnistrien weiterhin zu seinem Staatsgebiet gehört.

„Wenn ich meinen Wein nicht verkauft bekomme, weiß ich nicht, wie ich meine Familie über den nächsten Winter bringen soll“, beschreibt Weinbauer Grigori Bivol sein Dilemma. Die EU hat bereits erklärt, dass es am Wein aus Moldau nichts zu beanstanden gebe. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski appellierte an die europäischen Konsumenten, moldauische Weine zu kaufen. „Solche Äußerungen reichen aber sicher nicht aus, um die erpresserische Außenpolitik Moskaus in die Schranken zu weisen“, sagt Experte Bogatu.


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