Russland

Postsowjetischer Größenwahn

ostpol: Der „Spiegel“ nannte die von dir gezeigten Hochhäuser, Glaspaläste und Firmengebäude „architektonischen Größenwahn“. Was steckt hinter dieser gigantischen Architektur?

Frank Herfort: Die Hochhäuser sind größtenteils Firmenzentralen und Hauptquartiere von riesigen Konzernen. Und da gibt es schon Größenwahn. Die Unternehmen wollen Macht und Größe ausstrahlen. Gleichzeitig ist der Stil komplett anders als im Westen. Auftraggeber und Architekten wollen zeigen, dass sie ihren eigenen Weg gehen – mit einem Mix aus allen Epochen: Klassizistische Elemente findet man direkt neben Jugendstil-Ornamenten.

ostpol: Wie entstand die Idee zur Bilderserie und zum Buch? 

Herfort: 2009 habe ich die ersten Wohn-Wolkenkratzer an der Moskwa in Moskau fotografiert, weil ich sie faszinierend fand. Dort stehen oft drei, vier Häuser nebeneinander. Ein Jahr später habe ich angefangen, die Gebäude gezielt zu suchen – zuerst in Moskau, später in ganz Russland.


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Einige Aufnahmen wirken inszeniert: Vor dem „Chelyabinsk City“-Hochhaus beispielsweise sitzen Männer vor einem Feuer. Das kann doch kein Zufall sein? 

Herfort: Dieses Gebäude ist quasi das einzige Hochhaus in Tscheljabinsk. Ich bin um das Bürogebäude herumgelaufen, um nach Perspektiven zu suchen und entdeckte diesen leeren Parkplatz. Am Eingangstor standen tatsächlich die zwei Parkplatzwächter. Die beiden fingen an, ein Picknick auf diesem Hinterhof zu machen. Es war also alles vorhanden, ich habe einfach ein wenig umsortiert, damit es kompositorisch noch besser ins Bild passt.

Das Lagerfeuer vor dem Hochhaus, ein Badeurlauber in Sotschi – die Fotos leben von solchen Kontrasten.

Herfort: Die fotografierten Gebäude stehen meist einzeln. Anders als in westlichen Großstädten gibt es keine Geschäftsviertel, die Nachbarhäuser sind immer flach. Damit stechen die Hochhäuser natürlich noch mehr heraus.

Neben den Firmenhochhäusern hast du auch Wohngebäude fotografiert. Wer wohnt dort? 

Herfort: Da es sehr teure Wohnungen sind, wohnt dort eher die Mittelschicht und aufwärts. Obwohl man das allerdings nicht glauben würde, wenn man die Gebäude betritt: Teilweise sind sie so schlecht gebaut, dass nach wenigen Jahren bereits einiges wieder zusammenfällt. Häufig werden diese Wohnungen auch nur als Anlageobjekte gekauft, tatsächlich wohnt dann niemand darin. Sie dienen dann als Sicherheit und Vermögensanlage.

Auf der Website des Fotografen kann die auf 200 Stück limitierte, signierte und durchnummerierte Sonderausgabe von „Imperial Pomp“ erworben werden.


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