Russische Journalisten in deutschen Redaktionen
Xenia Maximowna studiert Journalistik. Aber schon seit fünf Jahren arbeitet die 20jährige in ihrem Beruf. Sie schreibt für verschiedene Moskauer Regionalzeitungen und kennt die Spielregeln. Überwiegend schreibt sie für die Boulevardpresse, dort lässt sich am einfachsten Geld für das Studium hinzuverdienen. Sie stand schon vor Gericht wegen zu kritischer Nachfragen und hatte Ärger mit den „Rechtschutzorganen“, wie sie sagt. Dennoch ist sie überzeugt: „Der Journalist muss aufklären und Menschen ohne Schutz helfen“. Jetzt will sie nach Deutschland, um dort ein sechswöchiges Praktikum zu machen, ob bei einer Zeitung oder beim Fernsehen – das wäre ihr nicht so wichtig. Aber sie glaubt, in den Redaktionen dort „wird seriöser gearbeitet“, Werbung und redaktionelle Berichte sind klar getrennt, der Journalist darf eine größere Distanz zum Geschehen haben. Deshalb hat sie sich beim Deutsch-Russischen Forum in Moskau für einen der insgesamt 20 Praktikumplätze beworben. Xenia spricht fließend deutsch und begeistert hat sie schon beim ersten Deutschlandbesuch als Schülerin, „dass die Menschen - anders als in Russland - mit einem Lächeln durchs Leben gehen.“
Auf der Angebotsliste des Deutsch-Russischen Forums stehen auch in Deutschland begehrte Redaktionen – beim ZDF oder beim Focus, der Welt am Sonntag oder bei DaimlerChrysler in der PR-Abteilung werden die Studenten ausgebildet. Das von der ZEIT-Stiftung und dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unterstützte Programm „Journalistenpraktikum 2003“ bietet russischen Studenten die Chance, in den kommenden Semesterferien für deutsche Zeitungen, Radio- und Fernsehprogramme zu arbeiten. Die deutschen Organisatoren wollen persönliche Kontakte fördern und kritischen Journalisten auf die Sprünge helfen. Die Voraussetzungen sind hervorragende Deutschkenntnisse, Erfahrungen im journalistischen Schreiben und ein gut begründetes Interesse am deutschen Mediensystem. Xenia Maximowna verspricht sich, wie die meisten der rund 200 Bewerber, einen Karrierevorteil durch den längeren Aufenthalt in Deutschland. Insgesamt 50 Bewerber wurden ausgewählt zu schriftlichen und mündlichen Eignungstests. Das „kritische Berichten“ über Land und Leute liegt den meisten fern. Auf die Frage, ob sie sich für Politik interessierten, antwortet eine Handvoll mit „Ja“. Vielleicht eine Erfahrung, die die Journalistik-Studenten in Deutschland machen werden, dass Politik nicht gleichzusetzen ist mit „der Regierung“ oder „der Regierungspolitik“ – eine häufig verbreitete Vorstellung. Artikel über Kultur, Sport und Mode zu schreiben ist populärer. Analysen und allzu genaue Beobachtungen sind aufwendiger und nicht ohne Risiko. Der journalistische Nachwuchs sieht die eigene Zukunft pragmatisch: gute berufliche Perspektiven sind nach verschiedenen Praktika, Fremdsprachen und vorweisbaren Arbeitsproben allemal in Sicht. Der Weg nach Deutschland ist da eine Etappe auf einer längeren Zielgeraden.
Informationen zu Bewerbungen und zum Programm „Journalistenpraktikum“
unter www.drf-infozentrum.de