Lewandowski, der Teflon-Held
Robert Lewandowski hat in seiner Heimat Polen Papst-Status erreicht. Schon im vergangenen Jahr kürte die polnische Presse den polnischen BVB-Spieler zum „König von Dortmund“. Nach seinen grandiosen vier Toren gegen Real Madrid im Halbfinale der Champions-League stellte das Internetportal „natemat” den polnischen BVB-Spieler in eine Reihe mit den großen Polen Papst Johannes Paul II. und der Solidarnosc-Ikone Lech Walesa.
Vor dem morgigen Halbfinal-Rückspiel der Fußball-Champions-League ist Borussia Dortmund Topthema der polnischen Sportberichterstattung. Nicht nur Robert Lewandowskis Tore werden immer wieder erörtert, sondern auch die Wechselgerüchte um ihn oder die Frage, ob sein polnischer Mannschaftskollege Lukasz Piszczek seine Oberschenkelverletzung bis zum morgigen Anpfiff auskuriert haben wird.
Um den polnischen Fußball steht es schlecht
Wie schon vor gut einem Jahr, als die Borussia mit Lewandowski deutscher Meister und Pokalsieger wurde, überbietet man sich mit Huldigungen. Die Boulevard-Zeitung „Super Express“ legte ihrer Ausgabe sogar ein Robert-Lewandowski-Poster bei. Und natürlich melden sich unzählige ehemalige Weggefährten zu Wort, die immer schon gewusst haben, dass Robert einmal ein ganz Großer wird.
Doch nicht für jeden Fan ist „Polska Borussia“ das Maß aller Dinge. Für viele Polen hat es etwas Zwiespältiges, wenn polnische Spieler im Ausland blendende Erfolge feiern. Denn deren Erfolge mit Vereinen wie Borussia Dortmund werfen ein umso grelleres Licht auf die finanziell und sportlich bescheidene Situation des polnischen Klubfußballs. „Wir polnischen Fußballfans mögen Lewandowski nicht besonders”, sagt der Fußballfan Withold. Er steht mit einem Schal des Erstligaklubs Polonia vor dem Stadion in Warschau. Polonia steht vor der Insolvenz, Spieler und Trainer warten schon seit Monaten auf ihre Gehälter.
Und auch der bekannte Fernseh-Sportkommentator Dariusz Szpakowski hält sich zurück. Das Hinspiel gegen Madrid sei schwer zu kommentieren gewesen, „weil ich einerseits Lust hatte, meiner patriotischen Freude über Robert fantastische Tore Ausdruck zu geben, aber andererseits weiß ich, dass es viele Real-Madrid-Fans in Polen gibt, die ich nicht beleidigen wollte.”
Ist ihm der Adler auf der Brust egal?
Viele Fans nehmen Robert Lewandowski schlicht übel, dass er im Ausland besser spielt als in seiner Heimat. „Warum schießt Lewy im Verein Tore wie am Fließband, aber in der polnischen Nationalelf spielt er so mies wie alle anderen”, ärgert sich Witolds Kumpel Marek und setzt bissig hinzu: „Gibt es da zu wenig Geld oder ist ihm der weiße Adler auf der Brust völlig egal?”
Und tatsächlich wirkt das Spiel des europaweit umworbenen Goalgetters im Nationalteam gehemmt. Während er es in der Bundesliga schaffte, in zwölf aufeinander folgenden Spielen mindestens ein Tor zu erzielen, lief es im Nationalteam genau umgekehrt: zwölf Spielen hintereinander ohne Torerfolg. Erst beim 5:0-Sieg gegen den Zwergstaat San Marino klappte es wieder, doch die WM-Qualifikation für Brasilien 2014 scheint schon verloren.
„Lewy ist ein Cyborg”, sagt der 14-jährige Marcin, der sich vor dem Polonia-Stadion am Schusskraftmessgerät ausprobiert. Er spielt damit darauf an, dass Lewandowski wie kein anderer polnischer Fußballer von Kindesbeinen an einem stringenten Karriereplan verfolgt hat, sich außerhalb des Platzes kaum wirklich äußert, geschweige denn durch irgendwelche Eskapaden aufgefallen wäre. Ein Teflon-Typ, der allein Tore sprechen lässt. So bewundert man ihn in Polen, doch lieben wird man ihn erst, wenn er auch mal das Nationalteam in ein Finale führt.