Serbien

Belgrad drängt in die EU

Serbiens Spitzenpolitiker machen Druck: Sie wollen ihr Land so schnell wie möglich in die EU bringen. Dabei hat das Spitzenpersonal der aktuellen Regierung eine unverkennbar nationalistische Herkunft: Präsident Tomislav Nikolic und Vizepremier Aleksander Vucic begannen ihre Karrieren in den 1990-er Jahren als rhetorische Kriegstreiber in der Serbischen Radikalen Partei. Premier Ivica Dacic war damals Sprecher des langjährigen Machthabers Slobodan Milosevic.

Vucic, der als Chef der größeren Regierungspartei erheblichen Einfluss in Belgrad hat, spricht aus, was zunehmend offensichtlich wird: Anders als die Vorgängerregierung unter dem Vorzeige-Europäer Boris Tadic als Präsidenten müssen die aktuellen Machthaber kaum Proteste der serbischen Nationalisten fürchten. Das verschafft ihnen einen Handlungsspielraum, den sie nun zu nutzen wissen.

Deutschland sei das Land, von dem Serbien künftig am meisten erwartet, so Vucic. „Es ist wichtig, zu zeigen, wie viel Serbien bereits geleistet hat“, sagte er vor seiner Abreise einer serbischen Zeitung. Man wäre sogar „ein bisschen beleidigt“, wenn Brüssel nun kein Datum für den Beginn der Verhandlungen nenne. Allerdings würde auch dann Serbien nicht vom europäischen Weg abkommen. Denn der sei „unumkehrbar“.


Die Kosovo-Frage bleibt der Knackpunkt

Die EU-Kommission wiederum ist erst dann bereit, mit den Verhandlungen zu beginnen, wenn die Kosovo-Frage grundsätzlich geklärt ist. Belgrad muss hier dringend Fortschritte vorweisen, denn langfristig kann das krisengeschüttelte Serbien ohne den gemeinsamen europäischen Markt und EU-Fördergelder wirtschaftlich kaum überleben. Gleichzeitig sinkt allerdings das Interesse bei der Bevölkerung an der EU drastisch. Im Dezember 2012 unterstützten nur noch 41 Prozent der Serben den Beitritt – acht Punkte weniger als bei der vorangegangenen Umfrage ein halbes Jahr zuvor.

Im Verhältnis zu Kosovo macht Serbien die entschiedensten Fortschritte. Die Verhandlungen zwischen den Regierungen in Brüssel unter der Moderation der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton kommen voran: Zuletzt hatten sich die Regierungen darauf geeinigt, wie die Zolleinnahmen von den neuen Grenzposten zwischen den beiden Staaten verteilt werden.


Neue Strukturen für Kosovo

Tatsächlich nimmt Belgrad die Forderungen der deutschen Bundesregierung aus dem Jahr 2011 ernst. Berlin und Brüssel erwarten, dass Belgrad bereit ist, die so genannten „parallelen staatlichen Strukturen“ in Kosovo abzubauen. Schulen, Krankenhäuser und andere Behörden vor allem im Norden Kosovos werden bislang vollständig von Belgrad finanziert und haben keinerlei Verbindung zur kosovarischen Hauptstadt Pristina. Der serbische Präsident Tomislav Nikolic erklärte vor wenigen Tagen, man wolle diese Strukturen durch neue ersetzen. Diese sollten kosovarische Strukturen sein, aber verwaltet von Serben.

Damit würde Belgrad den eigenen Landsleuten in Kosovo bedeuten, die Regierung in Pristina zu akzeptieren, und dabei zugleich eigene Organisationen zu bewahren. So ist es im Süden Kosovos schon heute, wo schätzungsweise 80.000 Serben wohnen. Diese akzeptieren den kosovarischen Staat schon heute, wenn auch notgedrungen. Die rund 40.000 Serben im Norden Kosovos um die Stadt Kosovska Mitrovica wären dann gezwungen, ihren Landsleuten im Süden zu folgen.

Damit wäre eine Perspektive für die Lösung der offenen Streitfragen gefunden. Bereits jetzt gibt es vier funktionierende Grenzstationen auf der „Verwaltungsgrenze“ zwischen Kosovo und Serbien. In kürzester Zeit hat die gegenwärtige Regierung Fakten geschaffen, die vorher Jahre lang völlig unrealistisch erschienen.


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