Bulgarien

Wie Bulgarien Europas Spar-Meister wurde

Zu Beginn der Finanzkrise bewies ein bulgarischer Blogger Phantasie und verfasste eine Rede unter dem Namen des damaligen Athener Premier Georgious Papandreou. Sie wurde von Internetzeitungen für authentisch gehalten und gedruckt, bis das bulgarische Außenministerium sie offiziell als falsch bezeichnete. Der angebliche Papandreou ermahnte seine Landsleute zu Sparmaßnahmen; ansonsten bekomme man unausweichlich bulgarische Zustände.

Die Wirtschaftslage Bulgariens war damals nicht nur aus der Sicht der Griechen düster. Im Moment aber, wo der europäische Süden unter der Schuldenlast stöhnt, erfreut sich Sofia einer beneidenswerten Finanzstabilität. Mit nur 16,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hatte das Balkanland 2011 die zweitniedrigste Gesamtverschuldung aller EU-Länder. Zum Vergleich: Deutschland hat einen Schuldenstand von über 80 und Griechenland von 170 Prozent des BIP.


Auch der IWF lobt Bulgarien

Auch der Internationale Währungsfonds lobte in seinem jüngsten Bericht, Bulgarien habe mit einer „nachhaltigen und vernünftigen Politik geschafft, seine Stabilität in einem stürmischen Umfeld zu bewahren.”

Sparen ist in dem immer wieder von Krisen heimgesuchten Bulgarien schon lange die Devise. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks waren die Kassen leer und die Ersparnisse der Bevölkerung gering. Nach dem zweiten Kollaps 1996 koppelte Bulgarien seinen Lew an die D-Mark und später an den Euro. Mit der Einführung einer Währungsaufsicht durch den IWF bekam Bulgarien auch die Auflage, den gesamten Geldumlauf durch Währungsreserven zu decken. Die Regierung war zum Sparen gezwungen und hielt sich auch nach dem EU-Beitritt im Jahr 2007 an diese Regeln.


Bulgariens Politiker schlachten den Erfolg aus

Finanzminister Simeon Djankov schlachtet die Finanzstabilität nun aus – auch gegenüber dem größeren Nachbarn Griechenland, der sein Defizit nicht in den Griff bekommt: Bulgarien sei im Begriff, alle unreformierten südlichen Länder zu überholen, meinte er am Donnerstag bei der zweiten Lesung des Budgets für 2013. „Bulgarien ist dank dem Volk ein ‚Musterschüler‘“, prahlt auch Premier Bojko Borissov. „Es hat viel unter Verzicht gelitten. Dafür aber wird unser Wachstum auf einer sicheren Basis stehen.”

Obwohl Bulgarien dank einer gesetzlichen Schuldenbremse mit nur zwei Prozent Neuverschuldung die Euro-Kriterien spielend erfüllt, zögert das Land nun, der gemeinsamen Währung beizutreten. Als er 2009 den wichtigsten Ministerposten übernahm, erklärte Finanzminister Djankov den Euro-Beitritt noch zur Priorität. Doch nun rudert er zurück: Er wolle warten, wie sich die Fiskalunion entwickele, so Djankov. Vor allem fürchtet er die von Frankreich vorgeschlagene Steuerharmonisierung. Sein Land müsse die nächsten Jahre dringend an der pauschalen Niedrigsteuer von zehn Prozent festhalten, um Investoren ins Land zu holen.


Das Land braucht dringend Wachstum

Das Land braucht in der Tat dringend Wachstum. Die Produktion ist schwach, ausländische Investoren zurückhaltend. Die Arbeitslosigkeit von 12 Prozent wächst parallel zur Abwanderung qualifizierter Kräfte. Die Armut dagegen ist allgegenwärtig: In den Großstädten beheizen viele Rentner im Winter nur einen Raum und sparen dafür am Essen. Übermüdete junge Eltern bleiben bis spät abends für eine neue Waschmaschine oder den Nachhilfeunterricht ihrer Kinder im Büro.

Die von der Regierung vorgesehene kleine Erhöhung der Gehälter und Renten, die schon im dritten Jahr eingefroren sind, wird unter diesen Umständen die desolate Lage kaum mildern. Wenn der stabilisierten Finanzpolitik keine Ankurbelung der Wirtschaft folge, drohe ein schlechtes Szenario, warnt der IWF. „Der Fokus der Politik sollte auf dem Mittelstand und neuen Arbeitsplätzen liegen“, meint auch der Ökonom Petar Ganev vom Institut für Marktwirtschaft in Sofia. Erforderlich seien Reformen bei der Verwaltung und der Kranken- und Rentenversicherung, sowie eine Beschränkung der Marktregulierung. Sie sei momentan lebensnotwendig für die kleinen Betriebe, die 70 Prozent der bulgarischen Wirtschaft ausmachen. Solche Maßnahmen vermisse er im Budgetentwurf für 2013.


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