Die Versager vom Dienst
Hier geht es zu der Leseprobe aus dem Buch „Club der polnischen Versager”
Samstagabend in der Ackerstraße 168 in Berlin-Mitte. Der 39-jährige Adam Gusowski tritt ans Mikrophon und begrüßt mit polnischem Akzent die Zuschauer. Irgendwann kommt auch der Co-Moderator des Abends, Piotr Mordel, auf die kleine Bühne. Die beiden unterhalten sich über Gusowskis gerade vollzogenen Kirchenaustritt, Joachim Gauck und die deutsch-polnischen Beziehungen. Zwischendurch werden selbstgedrehte Filme eingeblendet, die beiden tanzen Polka, später trinken sie Wodka an der Bar.
Der Berliner „Club der polnischen Versager” ist Kneipe, deutsch-polnischer Kulturort und eine Berliner Institution. Und er ist Gusowskis und Mordels „verlängertes Wohnzimmer”, wie sie es nennen. Über seine Entstehungsgeschichte haben sie nun ein Buch geschrieben. „Eine Art Abrechnung. Abrechnung mit Anführungszeichen”, sagt Mordel mit rollendem R. Gusowski ergänzt: „Das Buch ist ein Resümee unserer satirischen Arbeit.”
Gosowski und Mordel emigrierten 1988 nach Berlin
Jetzt, am frühen Abend, sind noch keine Gäste da. Die beiden sitzen sich im leeren Club gegenüber. Ihre Antworten erinnern an ein Ping-Pong-Spiel. Gusowski sagt zu seinem Freund: „Ich kenne deine Texte zwar nicht. Man sagt aber, sie seien fast so gut wie meine.” Der schlaksige 51-jährige Mordel, dessen Bart schon leicht angegraut ist, erwidert: „Meine Freundin meint, Deine Texte sind auch gut.”
Beide emigrierten kurz vor dem Mauerfall 1988 nach Berlin. „Wer in Deutschland ein paarmal pro Woche arbeitet und ansonsten faul auf dem Sofa liegt, kann sich locker zwei oder drei Mercedes-Benz leisten”, formulieren sie in dem Buch humorvoll ihre damaligen Erwartungen.
Doch biografische Elemente machen nur einen kleinen Teil des Bandes aus. „Der Rest sind Lügen, Träumereien und Spinnereien”, sagt Mordel. Spinnereien, so lässt sich auch das Programms des Clubs beschreiben. Etwa, wenn die beiden die „Leutnant-Show” aufführen, die immer pünktlich um 21:37 Uhr beginnt, dem Todeszeitpunkt von Papst Johannes Paul II – ein Seitenhieb auf den polnischen Katholizismus.
„Wir möchten das gegenseitige Interesse wecken” sagt Mordel
Mit der „Leutnant-Show” sind sie bundesweit auf der Bühne, philosophieren über die deutsch-polnischen Beziehungen, zeigen Straßenumfragen zu den absurdesten Themen, etwa ob sich bis 2030 Polnisch oder Deutsch als Sprache durchgesetzt haben wird. Und immer wieder bringen sie mit Stereotypen, wie über die klauenden Polen, die Zuschauer zum Lachen.
Zwischen den Zeilen erfährt der Leser auch etwas über die deutsch-polnische Geschichte. Im Kapitel „Tausend Jahre Tür an Tür” erzählen die Autoren mit einem Augenzwinkern die Christianisierung Polens durch den Herrscher Mieszko nach. „Mit einem Mal gab es in seinem Reich Feudalismus, Dreifelderwirtschaft, Steuern und Inquisition. Schuften, Fasten und kein Sex von der Ehe.”
„Wir möchten das gegenseitige Interesse wecken”, sagt Mordel. Mit dem Kabarettisten und Buchautor Steffen Möller, der mit Witzen über Deutsche und Polen Karriere macht, möchten sich die beiden nicht vergleichen. „Wir mussten das Buch gar nicht schreiben”, erklärt Gusowski. Beide haben nämlich bürgerliche Berufe und arbeiten als Filmemacher, Schauspieler und für den Hörfunk. „Der Club ist unser Hobby, hier arbeiten alle ehrenamtlich”, beteuert Guskowski.
Versager aus Spaß und Ernst
Wie es zur Gründung des Clubs und dem ausgefallenen Namen kam, erklären sie gleich in der Einleitung: „Wir wollten unserem tristen Alltag etwas Märchenhaftes hinzufügen. Aus Spaß nannten wir uns Versager. Manchmal fühlten wir uns auch so.”
Kann man nach elfjähriger erfolgreicher Club-Geschichte noch von „Versagern” sprechen? „Klar”, sagt Gusowski. Die Bezeichnung sei entlastend, befreie von hohen Erwartungen. „Dadurch verinnerlicht man eine gewisse Leichtigkeit.” Diese wirke therapeutisch.
Der Club erlebte auch Höhen und Tiefen. Nach dem Umzug vor fünf Jahren stand seine Zukunft in den Sternen. Dem Kulturprojekt, in dessen Räumen die „Versager” die Kneipe betreiben, drohte zeitweise die Zwangsräumung. Der Eigentümer des Grundstücks plante dort Mietwohnungen und Gewerberäume. Das Land Berlin bot zum Glück ein Ersatzgrundstück als Lösung an.
Die beiden empfehlen mehr geografischen Abstand
„In dem Buch halten wir auch den Deutschen einen Spiegel vor”, sagt Mordel. Etwa, wenn es um die vermeintliche Ordnungsliebe der Deutschen geht, die beim Thema Dialekt aufhört: „Je mehr man von Deutschland zu sehen bekommt, desto mehr seltsame Dialekte entdeckt man. Von wegen Ordnung.”
Eine Antwort auf die Frage, wie Polen und Deutsche sich annähern können, hält das letzte Kapitel bereit. Es rät zum geografischen Abstand beider Länder, etwas, was eigentlich nicht möglich ist, „und zwar um mindestens dreitausend Kilometer.” Nur so würden die Nachbarn aufeinander wieder exotisch wirken. „Erst dann ist Polen ein Land, von dem man in Deutschland träumen will”, so der Schlusssatz.
Adam Gusowski und Piotr Mordel: Der Club der polnischen Versager. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 224 Seiten, 8,99 Euro, ISBN 978-3-499-62985-3
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