So glaubt Osteuropa
Wenn der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck heute (Dienstag) die 22. Ausgabe des Cottbuser Filmfestivals eröffnet, dann sind auch Liza Minelli und Kirk Douglas dabei – zumindest auf der Leinwand. „Final cut – Ladies and Gentlemen“ heißt der ungewöhnliche Eröffnungsstreifen des ungarischen Filmemachers György Pálfi, der jüngst in Cannes Weltpremiere feierte.
Klassiker-Recycling statt Neudreh
Statt Schauspieler zu engagieren und wochenlang zu drehen, hat György Pálfi für seinen „recycelten Film“ drei Jahre lang im Schnittraum zugebracht. Dort hat er Kurzsequenzen aus mehr als 450 Klassikern der Kino-Geschichte zu einer neuen, ganz eigenen Liebesgeschichte zusammengefügt. Seine Protagonisten, ein Mann und eine Frau, wechseln zwar mit jeden Kurzclip Gesicht und Gestalt, dennoch überzeugt das von Musik getragene, künstlerische Konzept von „Mann-trifft-Frau“.
„Dieser Film kann als Kommentar zur katastrophalen Filmfinanzierung in Ungarn betrachtet werden“, erklärt Festivalleiter Roland Rust. Wo es kein Geld gebe, müssten andere Ausdrucksformen den Dreh eines Films ersetzen. Entstanden ist eine harmonisch montierte Hommage an jene Darstellerinnern und Darsteller, die uns die schönsten Liebesszenen der Kinogeschichte beschert haben.
Schwerpunkt Religion
150 Spiel-, Kurzspiel-, Animations- und Dokumentarfilme aus 36 Ländern gewähren bis Sonntag spannende und realitätsnahe Einblicke in das aktuelle Filmschaffen Osteuropas. Einen „Fokus“ legt Festspielleiter Roland Rust auf das „Osteuropa der Religionen“. 15 Dokumentar- und Spielfilmen reflektieren die Geschichte und die Stellung unterschiedlicher Glaubensrichtungen in der osteuropäischen Gesellschaft. Sie beleuchten das Verhältnis von Staat und Kirche und erzählen persönliche Dramen von katholischen Nonnen, albanischen Moslems und polnischen Juden.
Dabei gibt es auch ein Wiedersehen mit dem vielfach ausgezeichneten rumänischen Regisseur Cristian Mungiu („4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“). In seinem neuen Film „Jenseits der Hügel“ zeigt er zwei rumänische Mädchen, die sich die ewige Liebe schwören. Eine von ihnen geht ins Kloster, die andere nach Deutschland. Jahre später sehen sie sich wieder. In Cannes haben die beiden Hauptdarstellerinnen die Goldene Palme erhalten.
Polnischer Hip-Hop als Kultfilm
Ebenfalls preisgekrönt und unter Osteuropafilmfans bekannt ist der polnische Regisseur Leszek Dawid. Im vergangenen Jahr konnte er in Cottbus den Kinokritikerpreis und den Preis für die beste Darstellerin seines Spielfilmregiedebüts „Ich heiße Ki“ entgegen nehmen. In diesem Jahr will er mit dem polnischen Publikumsmagneten „Du bist Gott“ über die legendäre polnische Hip-Hop-Band „Paktofonika“ die gläserne Lubina ergattern. Um den mit 20.000 Euro dotierten Hauptpreis wetteifern zudem neun weitere Produktionen etwa aus Russland, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, Lettland und Rumänien. Seit langem erstmals nicht dabei ist Tschechien, das laut Roland Rust keinen überzeugenden Beitrag zum Wettbewerb liefern konnte.
So unterschiedlich wie die Nationalitäten der Regisseure sind auch ihre Themen. So porträtiert der Serbe Miroslav Terzic in „Straße der Erlösung“ einen Ermittler, der die Taten einer paramilitärischen Einheit untersuchen soll. Deren Mitglieder hatten in den Balkan-Kriegen mitgemischt. Schnell gerät der Aufklärer in das Visier der Täter.
Neben diesem gefühlvoll inszenierten Geheimdienst-Thriller können Cineasten sich aber auch auf leichte, nicht weniger bedeutsame Kost freuen: Die Russin Avdotya Smirnova zeigt in ihrer Komödie „Kokoko“, wie sich Lisa und Vika anfreunden. Die erste ist Museumskuratorin, die andere eine Partymaus: Eine humorvolle Geschichte über die Freundschaft zweier ungleicher Frauen. Als fester neuer Programmpunkt konnte sich die „Retrospektive Location Lausitz“ durchsetzen. Zu sehen sind dort Filme aus und über die Region sowie Beiträge einheimischer Regisseure.