Griechenland schikaniert syrische Flüchtlinge
„Als ich in Griechenland ankam, wollte ich vor Glück den Boden küssen“, sagt S., eine zierliche Frau aus Syrien. Die alleinerziehende Mutter steht aufrecht in der dunklen Wohnung im Athener Stadtviertel Dourgouti. Sie drückt ihre Hände an die Brust, als sie zu weinen beginnt. An der Fassade des schmalen Gebäudes, in dem sie mit ihren drei Kindern vorläufig untergekommen ist, hat sich der schwarze Ruß des letzten Molotow-Anschlags festgebissen. Die Fensterläden der Zweizimmerwohnung hält S. aus Angst vor weiteren Anschlägen geschlossen.
Auf der Straße herrscht Stille. Vor ein paar Wochen haben Unbekannte diesen Wohnblock mit Molotowcocktails angegriffen. Danach schliefen S. und ihre Kinder tagelang im Freien, bevor sie in die Wohnung zurückkehrten. Weil sie kein Geld für Lebensmittel hat, muss S. ihre kleine Familie mit dem ernähren, was sie nachts im Müll findet, denn nur im Schutz der Dunkelheit wagt sie sich auf die Straße. „Wenn ich gewusst hätte, wie die Situation hier ist, wäre ich lieber in unserer Heimat gestorben”, sagt sie.
Kein Flüchtling erhielt bislang Asyl
In den heruntergekommenen Reihenhäusern im Stadtviertel Dourgouti haben dutzende Flüchtlinge aus Syrien vorübergehend Zuflucht gefunden. Seit den Massakern in ihrem Heimatland kommen sie fast täglich mit Schlauchbooten an der griechisch-türkischen Grenze in der Region Evros oder auf den Ägäischen Inseln an.
Mit der Operation „Ioni“ - zynisch benannt nach der ersten griechischen Kolonie in Syrien - plant die griechische Regierung den Syrern sowohl den Land- als auch den Seeweg über die türkisch-griechische Grenze zu verschließen, betont ein Polizeisprecher, der anonym bleiben will. Zusätzlich will sie 20.000 syrische Flüchtlinge in Aufnahmelagern auf griechischen Inseln unterbringen.
Diejenigen Syrer, die es trotzdem und unter Einsatz ihres Lebens bis nach Griechenland schaffen, müssen oft mit monatelanger Inhaftierung rechnen und sind nach ihrer Freilassung rassistischer Gewalt ausgesetzt. Trotz der massiven Ausschreitungen in ihrem vom Krieg zerrütteten Heimatland wurde bislang keinem syrischen Flüchtling in Griechenland politisches Asyl gewährt.
Die Polizei habe ihn ins Wasser geworfen, berichtet ein Flüchtling
Nach Angaben eines Pressesprechers des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen in Athen (UNHCR) haben voriges Jahr 352 syrische Staatsbürger in Griechenland einen Asylantrag gestellt, ob sie bewilligt werden, kann niemand sagen. Immer öfters klagen syrische Flüchtlinge, dass ihnen der Zugang zum Asylsystem verwehrt wird.
Auch E. hat seine Hoffnung aufgegeben, in Griechenland Schutz zu finden. Der 30-Jährige hockt traurig auf dem Boden. Vor ein paar Wochen hat er mit seiner 80-jährigen Mutter in der Nacht die türkisch-griechische Landesgrenze überquert. Dabei wurde er von der Polizei gefasst.
„Nach 18 Stunden brachten sie uns wieder zum Grenzfluss zurück“, berichtet E. „Die Polizisten fuhren uns mit einem Boot bis zur Mitte des Flusses und warfen uns mit all unserem Besitz ins Wasser.“ Vier Kleinkinder trug der Fluss vor seinen Augen in den Tod, als die griechische Polizei ihn und andere Syrer sowie palästinensische Flüchtlinge in einer illegalen „Push Back“-Aktion zurück in den Fluss warf, sagt er. „Ich wollte den Kindern helfen, aber die starke Strömung hatte sie schon fortgetrieben.“
Viele ertrinken, auch Kinder
Inmitten einer Gruppe von Landsleuten aus Syrien, sitzt der junge Ziad. Er spielt nervös mit seinen Fingern. Seine Erfahrungen ähneln denen von E. Als er vor drei Monaten mit anderen Flüchtlingen in einem Schlauchboot den Fluss Evros überqueren wollte, versuchten griechische Grenzbeamte die Gruppe zu zwingen, in Richtung Türkei umzukehren, erzählt er. „Als wir uns weigerten, richteten sie ihre Waffen auf uns und schossen ins Wasser. Sie fuhren mit ihrem Boot direkt auf unser Schlauchboot zu und rammten uns. Wir schrien um Hilfe. Sie hörten nicht auf uns, sondern ritzten mit ihren Messern Löcher in unser Boot.“ Ziad kann nicht schwimmen. Nur mit Hilfe eines anderen Syrers konnte er sich an Land retten.
„Immer öfter frage ich mich, ob ich tatsächlich in Europa angekommen bin, wo jedes Menschenleben angeblich respektiert wird”, sagt die alleinerziehende Mutter S. Sie ist fest davon überzeugt, dass in Griechenland sie und ihre Kinder keinen Schutz bekommen werden. Doch auch die Suche nach Zuflucht in einem anderen europäischen Land wird ihr verwehrt. „Wenn Griechenland uns nicht helfen kann, warum lässt man uns nicht einfach gehen?”, fragt sie, während sich ihr Blick bedrückt in Richtung Fenster verliert.