Serbien

„Gay Pride“-Parade in Serbien erneut verboten

„Tod den Schwuchteln!“ steht mit kaum trockener Farbe an Hauswänden in der Belgrader Innenstadt, die zwischenzeitlich einem Belagerungszustand gleicht. Berittene Polizisten und Einsatzkräfte mit Plastikschilden haben Stellung bezogen, um eine Ausstellung zu schützen, die Fotomontagen von Jesus zusammen mit Homosexuellen zeigt. Vor der Barrikade haben sich Rechtskonservative versammelt, singen und recken Kreuze und Ikonen gegen die Besucher der Ausstellung. Wenn sie auch die Ausstellung nicht verhindern konnten, haben sie gewonnen: das Innenministerium hat die Parade bereits zum zweiten Mal in Folge verboten – wegen „Sicherheitsrisiken“, wie der rechtsnationale serbische Premier Ivica Dacic angab. Man wolle mit der Entscheidung „niemandes Menschen- oder Bürgerrechte beschneiden“. Diese Erklärung können angesichts der homophoben Stimmung in der Mehrheit von Regierung und Bevölkerung allerdings nur die wenigsten glauben.

Viele Serben unterstützen das Verbot

„Der Staat hat nicht nur vor der Gewalt kapituliert“, kritisiert „Gay Pride“-Mitorganisator Goran Miletic, „sondern das ist schon eine Koalition mit den Hooligans.“ 2010 war es bei der Gay Pride in Belgrad zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und rechtsextremen Hooligans und Randalierern gekommen. In diesem Jahr waren mit der Parade erstmals auch politische Forderungen verbunden, darunter spezielle Schulungen für Polizisten, Änderungen in Schullehrplänen und der Strafprozessordnung. Im Organisatorenteam vermutet man, dass – wie schon 2011 – auch in den kommenden Jahren keine Parade stattfinden kann.

In der serbischen Bevölkerung jedoch findet das Verbot viele Unterstützer. „Sie können zuhause tun was sie wollen“, sagt Barbesitzer Milic Radevic. „Aber sie müssen doch nicht rausgehen und provozieren und Probleme bereiten.“ Für ihn und viele Rechtskonservative ist die Parade eine aus dem Ausland finanzierte Provokation. „Erst sollten wir Karadzic und Mladic ausliefern, dann das Kosovo hergeben, und jetzt eine Schwulenparade zulassen. Wenn das die Bedingungen für den EU-Beitritt sind, dann will ich nicht in die EU!“ schimpft Micic.

Auch die Polizei fühlt sich gekränkt

Gänzlich unerwartet kam das Verbot jedoch nicht: Das Organisatorenteam der Gay Pride hatte bereits vorausschauend geplant und vom 30. September bis 6. Oktober eine Aktionswoche ausgerufen. Die unter dem Motto „Liebe, Glaube, Hoffnung“ stattfindende Veranstaltungsreihe mit Ausstellungen und Diskussionsrunden findet derzeit unter massivem Polizeischutz statt. Zivilstreifen in enganliegenden bunten T-Shirts unterstützen mehrere Mannschaftswagen mit Uniformierten, häufig sieht man deutlich mehr Polizei als Besucher. Ein gewaltiges Polizeiaufgebot von 2.000 Uniformierten schützte am Mittwoch die Ausstellung der schwedischen Künstlerin Elisabeth Olson Wallin und deren rund 150 Besucher.

In der Tragikkomödie „Parada“ des serbischen Regisseurs Srdjan Dragojevic, die Mitte September auch in den deutschen Kinos angelaufen ist, verbünden sich die Organisatoren der Gay Pride letztlich mit Kriegsveteranen. Auch im richtigen Leben wollen die Verantwortlichen nicht klein beigeben: „Wir werden am Sonnabend private Veranstaltungen abhalten“ sagt Stojanovic. Und ausgerechnet aus Polizeikreisen wird nun Kritik an dem Verbot kolportiert: „Die tun ja gerade so, als würden wir mit den Sicherheitsproblemen nicht fertig werden“, heißt es dort. Die Polizei fühlt sich in der Berufsehre gekränkt.


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