Mit dem Kreml legt man sich nicht an
Einst diente er wie auch der russische Präsident Wladimir Putin beim KGB. Zum Oberst hatte es Gennadi Gudkow beim sowjetischen Geheimdienst gebracht. In den 90ern gründete der heute 56-Jährige eine private Wachfirma, angeblich mit Personal aus früheren Sicherheitsorganen ausgestattet. Später nickte er in einer Parteiattrappe des Kremls in der Duma die Gesetze ab. Als „politisches Haustierchen“ verspottete ihn so manch ein Weggefährte. Im vergangenen Dezember aber verwandelte sich Gudkow in ein „politisches Wildtier“.
Die Rede ist von Geldwäsche
Seit den offensichtlich gefälschten Parlamentswahlen ergreift das Schwergewicht aus Kolomna unweit von Moskau lautstark Partei für die Wünsche der Straße – und trägt sie ins Parlament. Nun aber soll er sein Mandat verlieren. Die Begründung: Gudkow sei gleichzeitig Unternehmer.
Nach russischer Verfassung ist es Abgeordneten verboten, neben ihrer parlamentarischen Arbeit unternehmerischen oder anderen bezahlten Tätigkeiten nachzugehen. Gudkow aber soll, obwohl für „Gerechtes Russland“ im Parlament, das der Kreml einst als linkes Bein zu „Einiges Russland“ erdacht hatte und das sich nach und nach zum Gesicht der Bewegung gegen Putin wandelt, immer noch an der Spitze einer Baufirma stehen und ein unklares Verhältnis zu Wachfirmen haben, die seiner Frau und seinem jüngeren Sohn gehören. Die Rede ist von Geschäften mit Bulgarien und von Geldwäsche.
Mit dem Kreml legt man sich nicht an
90 Prozent der Duma-Abgeordneten, so sagte es ein Parlamentarier der Kommunistischen Partei vor einigen Tagen, betrieben nebenbei verschiedene Geschäfte. Bisher habe es niemanden gestört. Auch Gudkows Tätigkeiten blieben uninteressant – bis er die Proteste gegen die Regierung mitorganisierte, bis er vor Zehntausenden von Unzufriedenen auf der Bühne stand und Veränderungen forderte. Schon begannen die Kontrollen. „Racheaktionen für die Einmischung“, wie es Gudkow selbst nennt.
Im Mai entzogen die Behörden der Firma seiner Frau die Erlaubnis, Waffen zu besitzen, später auch die Lizenz. Andere Tochterfirmen bekamen ähnliche Probleme. Nun werfen ihm die Kritiker vor, Lobbyarbeit für seine persönliche Bereicherung betrieben zu haben. Gudkow, seit 2001 in der Duma, saß von Anfang an im Unterausschuss des Parlaments, das sich mit gesetzlicher Regulierung der Arbeit privater Wachdienste und Detekteien beschäftigt.
Um diese Interessen zu vertreten, wurde er einst gewählt. Dass es seinem eigenen Unternehmen nicht geschadet hat, ist offensichtlich und wird dem gelernten Englischlehrer nun zum Verhängnis. „Die Skelette der Vergangenheit werden aus dem Schrank geholt“, heißt es dazu im Volksmund. Gudkow ist der nächste, dem gezeigt werden soll: Mit dem Kreml legt man sich nicht an! Auch wenn die Staatsanwaltschaft eigentlich gar nicht das Recht hat, die Dumaführung um den Entzug des Mandats zu bitten, so ganz ohne eine Gerichtsentscheidung.
Ein typisches Produkt des Sowjetsystems
Die Kampagne gegen Gudkow trägt politische Züge, doch was es mit den Vorwürfen tatsächlich auf sich hat, bleibt im Verborgenen, wie so vieles in der postsowjetischen Realität. Der 56-Jährige ist ein typisches Produkt des Sowjetsystems. Als Jugendlicher bereits im sowjetischen Jugendverband engagiert, tritt er während der Armeezeit den Kommunisten bei. Später besucht er die Spionageabwehrschule des KGB. Hier gelangt er bis in den Rang des Obersts, ähnlich wie auch Putin. Nur die Sicherheitsorgane hätten die Lage im Land ändern können, wird er später sagen, nicht die siechen Politiker. Nach dem Zerfall der Sowjetunion steigt Gudkow ins Business ein, sein Unternehmen „Oskord“ gehört bald zu den Branchenführern. Doch das Innenministerium selbst macht es privaten Sicherheitsfirmen schwer. Gudkow geht in die Politik, ist bis 2007 gar Mitglied bei „Einiges Russland“. Er unterstützt Dmitri Medwedew und ist enttäuscht über die Machtrochade des Tandems im vergangenen Herbst. Ein Wendepunkt. Und lautstarke Auftritte in der Duma, die unzufriedenen Bürger doch endlich ernst zu nehmen.
Das System, und das war Gudkow bewusst, schlägt nun zurück. „Was hat er denn gedacht?“, fragt sein einstiger Parteigenosse Alexej Mitrofanow. „Dass die Mächtigen ihm über den Kopf streichen und sagen, komm Gena, hör auf?“ Irgendwann, so meint Mitrofanow, sei die Geduld zu Ende. Und dieses „Irgendwann“ sei jetzt eingetreten.