Schwulen-Satire „Parada“ ein Riesenerfolg
Ein Kommentator des unabhängigen Radiosenders B92 brachte es auf den Punkt: Diesen Film „in dieser Gegend und in diesem Serbien“ zu machen sei ein „verrücktes und wahnsinniges Unterfangen“ gewesen –„aber auch mutig“. Mutig, weil in Serbien Schwule und Lesben offen angefeindet werden. Verrückt, weil der Film satirisch und humorvoll mit dem Thema umgeht.
Mehr als 300.000 Besucher in Serbien
Mit „Parada“ (Die Parade) zeigt Regisseur Srdan Dragojevic eine homophobe und intolerante Gesellschaft und legt damit den Finger in eine offene Wunde: Erst 2010 wurde die Schwulen-Parade Gay Pride in Belgrad von rechten Skinheads sprichwörtlich zusammengeschlagen, im vergangenen Jahr konnte sie nur unter massivem Polizeischutz stattfinden. Wenig Sympathie für die „pederi“ (Schwuchteln) im Land, könnte man meinen. Doch „Parada“, auf der Berlinale Gewinner des Publikumspreises, ist im gesamten ehemaligen Jugoslawien ein Kassenschlager.
Mehr als 300.000 Menschen haben allein in Serbien das satirische Drama um den Kriegsveteran und Nationalisten Limun gesehen, der mit einem schwulen Pärchen ein ungewöhnliches Geschäft eingeht. Die beiden sollen ihm und seiner modebewussten Freundin eine geschmackvolle Hochzeitsfeier ausrichten. Dafür wird er mit seiner Sicherheitsfirma und seinen Unterweltkontakten die Parade schützen. Weil sich seine Angestellten weigern, zwei Schwule zu schützen, steigt Limun selbst mit einem der beiden ins pinkfarbene Auto und sammelt ehemalige Kriegsgefährten auf dem gesamten Balkan ein.
Kein Auge bleibt trocken - vor Lachen
„Der Film erzählt von der Notwendigkeit zu Toleranz und Zusammenarbeit auf einer breiteren Ebene als einfach nur schwul-hetero. Vor allem ist es ein Film über die Liebe“, erklärt Regisseur Dragojevic sein Anliegen. Humor und Absurdität sind die Mittel, mit denen „Parada“ auch die breite Bevölkerung erreicht hat: Der Film spielt mit Klischees. Wenn Limun und der schwule Tierarzt Radmilo gemeinsam zum Film „Spartacus“ schluchzen, bleibt auch im Publikum kein Auge trocken – vor Lachen.
In Serbien gingen Lehrer mit ihren Schulklassen in den Film. Dragojevic erzählt, der halbwüchsige Sohn eines Freundes habe sich beschwert, dass er die Schwulen jetzt nicht mehr hassen könne. „Man kann die Welt nicht mit einem Film verändern“, sagt er. „Aber ich mache immer Filme mit dem Wunsch, die Sicht der Menschen auf bestimmte Dinge zu verändern. Manchmal führt das dazu, eine Diskussion auf einem höheren Niveau anzustoßen, und das kann durchaus zu gesellschaftlichen Veränderungen führen.“
Ein Gemeinschaftsgefühl wie in Jugoslawien
„Parada“ weckt aber noch andere Gefühle – nämlich den Gemeinschaftsgeist aus jugoslawischen Zeiten. Wenn der serbische Veteran Limun den Serbenhasser aus der Krajina, den Drogendealer aus dem Kosovo und den Pornofilmverkäufer aus Sarajevo in einen pinkfarbenen Trabant sammelt, um in Belgrad gegen Intoleranz zu protestieren, eint er auch die Nationen vor der Leinwand.
„Parada“ hat mit 600.000 Besuchern nationalitätsübergreifend in der gesamten Region alle Kassen-Rekorde gebrochen und knüpft an die Erfolge früherer jugoslawischer Filme an. In Kroatien wurden über 170.000 Besucher gezählt, so viele lockte bisher kaum ein Film in die Kinos. „Parada“ erreichte mit je 25.000 Zuschauern nahezu identische Besucherzahlen in der bosnischen, heute muslimisch geprägten Hauptstadt Sarajevo und in Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik.
Homosexuelle sind geteilter Meinung über den Film
Er habe begeisterte Reaktionen von „Jugoslawen“ erhalten, sagt Regisseur Dragojevic. „Parada“ habe gezeigt, dass es noch viele Jugoslawen in der Region gebe: „Das ist eine Kraft, auf die man zählen kann, wenn man in Kultur und Wirtschaft wieder Brücken bauen will.“
Nur eine Bevölkerungsgruppe teilt die Begeisterung nicht uneingeschränkt. Ausgerechnet die Homosexuellen sind geteilter Meinung. Die schwul-lesbische Bewegung sei durch den Film zwar gestärkt worden, meint etwa der schwule serbische Aktivist und Journalist Predrag Azdejkovic. „Da wird ein Film über Homosexuelle aus Serbien gemacht, den hunderte von Menschen sehen und der eine Reihe von Preisen gewinnt. Das ist ermutigend.“ Es sei allerdings eine Selbsttäuschung zu glauben, dass der Film Homophobie kurieren können. Er beeinflusse vermutlich eher diejenigen, die keine feste Meinung zu dem Thema haben, und sei deshalb wertvoll für die junge Generation.
Viele Klischees und Stereotypen
Linke Medien kritisieren die Überzeichnungen und Klischees, auch Azdejkovic sieht sie mit gemischten Gefühlen. „Die Menschen lieben Stereotypen. In der Community sind wir dagegen ein bisschen allergisch“, meint er. Ihn selbst hätten die Überzeichnungen eher abgestoßen. Nicht nur deshalb habe er den Film nur ausschnittsweise angesehen. „Für mich waren schon die Szenen im Trailer schmerzhaft“, sagt er. „Als ich das Drehbuch gelesen habe, habe ich einige Male geweint. Für mich war das alles zu emotional. Ich hätte auf der Leinwand mein eigenes Leben gesehen, das, was ich als schwuler Aktivist jeden Tag durchmache. Ich wollte mich nicht zusätzlich quälen.“