Griechenland

Krise schürt Rassismus


Athen (n-ost) – Während die Troika Athen erste Fortschritte im Sparkurs attestierte und sich die Koalitionsparteien auf ein weiteres hartes Sparpaket von 11,5 Milliarden Euro einigten, schürt die Krise die rassistische Stimmung in Griechenland. Als ein 21-jähriger Pakistani am Wochenende gestand, ein 15-jähriges Mädchen auf der Insel Paros vergewaltigt zu haben, löste das Verbrechen bei einem großen Anteil der griechischen Bevölkerung Wut gegen die Immigranten aus. Eine zeitgleich von der Regierung groß angelegte Aktion gegen illegale Einwanderung heizte die fremdenfeindliche Stimmung im Land weiter an.

Im Rahmen der Operation „Xenios Zeus“ – benannt nach dem Gott der Gastfreundschaft – waren am vergangenen Wochenende mehr als 6.000 Einwanderer in Athen festgenommen worden. Mehr als 1.100 von ihnen wurden schließlich wegen illegaler Einreise in Griechenland in Lager eingesperrt, um ausgewiesen zu werden. Außerdem wurde die Zahl der Polizeibeamten in Evros an der türkisch-griechischen Grenze massiv erhöht – wie es heißt, um die erwartete Flüchtlingswelle aus Syrien zu stoppen.

Der griechische Minister für Bürgerschutz und öffentliche Ordnung Nikos Dendias betonte unterdessen, dass die Aktion fortgesetzt werde: „Das Land geht unter. Wir sind mit einer Invasion konfrontiert“, sagte er im griechischen Fernsehen. Die Immigration sei ein größeres Problem für Griechenland als der Geldmangel, so Dendias.

In den vergangenen zehn Jahren suchten mehr als eine Million Menschen vor allem aus Krisenregionen in Afrika und Asien in Griechenland Zuflucht. Allein 2010 waren es nach Angaben der griechischen Behörden 128.000. Obdachlos und mittellos harren Hunderte von ihnen in Athen und anderen Städte aus.

Kritiker dagegen bezeichnen die Razzien als billigen Kommunikationstrick, um die öffentliche Meinung von den harten Sparmaßnahmen abzulenken: „Samaras steht vor einer Sackgasse wegen der von den Gläubigern diktierten Sparpolitik und versucht rasch die Sicherheit in den Vordergrund zu stellen“, schreibt das linke Webportal left.gr.

„Niemand überprüft, wie diese Razzien durchgeführt werden“, kritisiert Ahmed Moavia, Präsident des Griechischen Migrantenforums. Seit 30 Jahren lebt der Sudanese in Griechenland. „Griechenland muss ein Asylsystem nach europäischen Standards umsetzen, damit es die große Anzahl der Schutzsuchenden verwalten kann“, so Moavia. Die wachsende Arbeitslosigkeit erreicht derzeit fast 23%. Dennoch bleibt Griechenland europäisches Hauptankunftsland für Flüchtlinge und Migranten aus Krisenregionen in Afrika und Asien. Die Immigranten werden dabei zunehmend zu Sündenböcken für die Krise des hoch verschuldeten Landes.

Der Vorsitzende des Panhellenischen Verbands der Grenzbeamten Charelas Panagiotis beklagt dabei fehlende Solidarität aus Europa: „Da 90 Prozent der illegalen Einwanderer Europa über Griechenland betreten, war bisher für den Rest Europas selbstverständlich, dass Griechenland dieses Problem verwalten muss. Dies muss sich ändern. Die EU braucht eine gemeinsame Migrationspolitik.“

Die Großrazzien finden erschreckend große Zustimmung bei einem Teil der Bevölkerung. Im Griechenland der Wirtschaftskrise hatte die Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) sowohl bei den Wahlen im Mai als auch im Juni mit fast sieben Prozent zum ersten Mal ins griechische Parlament geschafft. Vorige Woche verteilten Parteimitglieder auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament Lebensmittel – nur für diejenigen, die sich mittels ihrer Papiere als Griechen ausweisen konnten. „Es ist der Nullpunkt für die griechische Gesellschaft“, kommentierte die konservative Tageszeitung Kathimerini. „Es ist die Zeit ihres moralischen und geistigen Zerfalls.“


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