Zu Gast bei Akiko
Akiko Miwa holt ihre Gäste persönlich vor der Dorfkirche in Harklowa ab. Nur mit einem Geländewagen ist der steinige Hohlweg zu ihrem Haus zu bewältigen. Den weißen Nissan steuert die zierliche Japanerin auf ihre einsame Bergwiese in der Region Podhale, dem malerischen Karpatenvorland im Süden Polens.
Nach zwei Kilometern endet der felsige Waldweg auf einer Lichtung – das Schaukeln und der Gestank der schwer arbeitenden Motoren bei der steilen Auffahrt sind schnell vergessen: Ein breiter Panoramablick über das Tal des Dunajec-Flusses bis zur Hohen Tatra bannt sofort die Aufmerksamkeit. So ging es auch Akiko, als sie Anfang der 1990-er Jahre auf einer Wanderung hier vorbeikam: „Dieser Flecken Erde war Liebe auf den ersten Blick“ erzählt sie, „er erinnerte mich sofort an die Hokkaido-Berge in meiner japanischen Heimat.“
Informationen
Die Anreise ist über Krakau (Flugzeug, Bahn) und weiter mit einem Mietwagen zu empfehlen. Abholung in Harklowa durch Akiko Miwa mit dem Geländewagen. In ihrem Holzhaus haben die Gäste in zwölf eher einfachen Zimmern Platz.
Kontakt (auf Englisch, Japanisch oder Polnisch): Akiko Miwa, Os. Ariake 1, Dębno Harklowa, Tel: 0048-18-275 17 28, Mail: akiko@akiko.pl, www.akiko.pl
Informationen über die Kräuterroute in Kleinpolen (in polnischer Sprache): www.agroturystyka.wrotamalopolski.pl
Unterkünfte auf der Kräuterroute können u.a. gebucht werden beim Reisebüro LaVista in Nowy Sącz. Dort spricht man auch englisch. Tel. 0048-18-442 61 90, www.lavista.pl.
Essen in zerknüllter Fischhaut
Weil Akiko, die gerade einen Neuanfang suchte, möglichst weit entfernt von Japan leben wollte, beschloss sie, auf dieser Bergweide in Podhale ihren Lebensabend zu verbringen. Für ihren Lebensunterhalt eröffnete die Wahlpolin auf ihrer Alm vor fast 20 Jahren die Pension „Villa Akiko“. Zuerst bewirtete die Gastgeberin ihre polnischen Bauarbeiter. „Sie wunderten sich, warum ich ihnen zum Essen zerknüllte Fischhaut gegeben habe“, erzählt die Japanerin lachend, „sie kannten das in Algenblätter gerollte Sushi nicht“. In den ersten Jahren kamen besonders viele japanische Ingenieure, die in Polen in Niederlassungen ihrer Firmen arbeiteten. Heute hat Akiko auch polnische Stammgäste, die das besondere Ambiente ihrer Pension schätzen.
Polnisch-japanische Fusionsküche
Mittlerweile kommen die Besucher nicht nur wegen der atemraubenden Aussicht. Auf ihrer polnischen Bergwiese züchtet die Besitzerin auch traditionelle japanische Gewürz- und Heilpflanzen. Weil die Böden der Region zwar karg, aber wenig belastet sind, hat sich Akiko mit rund 20 Ökobauernhöfen in ganz Kleinpolen zur sogenannten „Kräuterroute“ zusammengetan. Auf den zumeist zertifizierten Biohöfen treffen traditionelles Wissen um die Kräuter, Kulinarisches, Heilkunst und moderne Wellness-Angebote aufeinander.
Bei Akiko landen die meisten Kräuter aus dem Garten direkt in ihrer Küche und auf den Tellern der Gäste. In ihren Töpfen und Pfannen entsteht dabei eine einzigartige polnisch-japanische Fusionsküche. Aus ihrem Lieblingskraut Shungiku, den Blättern der japanischen Speisechrysantheme, bereitet sie eine spezielle Teriyaki-Soße für die traditionell polnischen Schweinekoteletts zu. Shiso, ein leicht minzig schmeckendes Nesselkraut, würzt ihr Sushi. Forellen, eine Spezialität ihrer polnischen Wahlheimat, mariniert sie auf japanische Art mit Miso, einer Sojapaste.
Maiglöckchen mit Wodka helfen bei Herzkrankheiten
Praktisch alles, was in Akikos Garten wächst, findet Verwendung in ihrer japanisch-polnischen Küche. Holunderblüten und ähnliche wildwachsende Köstlichkeiten werden frisch geerntet im dünnen Teigmantel zu Tempura ausgebacken. Nur wenige Tage im Jahr kann Akiko mit einer anderen japanischen Spezialität aufwarten: Kogomi, ursprünglich ein Essen armer Menschen in Japan. Die ganz jungen, noch eingerollten Knospen einer einzigen Farnart des auch in Europa wachsenden Straußenfarns, werden nach dem Pflücken im Wald schnell in einer Salzlake eingelegt. Zuviel sollte man von dieser Köstlichkeit jedoch nicht zu sich nehmen – sie steht im Verdacht, bei übermäßigem Verzehr krebserregend zu wirken.
Zum Glück kennt Akiko aber auch die Heilwirkung der meisten Kräuter: „Maiglöckchen, die mit Wodka aufgegossen werden, helfen bei Herzkrankheiten“, versichert die Japanerin mit ihrer sanften Stimme. Auch das Mariengras, in Polen Żubrówka (Bisongras) genannt, stammt aus den Kräutergärten: Ein Halm davon in der Flasche verleiht dem gleichnamigen Wodka Geschmack und Namen.
Einmal im Jahr feiert die Japanerin Nanakus, das traditionelle Fest der Kräuter des Kaisers: Dann werden in einen Reisbrei sieben besondere Wildkräuter wie Wasserfenchel, Hirtentäschelkraut und Vogel-Sternmiere gemischt. „Dieser Brauch hat mir bislang ein langes Leben und Gesundheit gegeben“, ist Akiko überzeugt. Die Kräuter und ihr Haus auf der Wiese mit dem traumhaften Panorama haben aus der Japanerin Akiko in 20 Jahren eine einzigartige japanisch-polnische Gastgeberin in den Bergen Südpolens gemacht.