Griechenland

Griechische Neonazis ringen um Macht

Ein weißer Aufkleber mit der Botschaft: „Wählt Chrysi Avgi, damit Griechenland gesäubert wird.” Neben der Parole die blau-weiße griechische Flagge und der Spruch „Griechenland gehört den Griechen”: Diesen Aufkleber sieht man immer öfter an Eingangstüren, Bushaltestellen oder Wänden in der griechischen Hauptstadt. Am 6. Mai schaffte es die Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) mit beinahe sieben Prozent zum ersten Mal ins Nationalparlament.

Umfragen zufolge können die Rechtsradikalen zwar am Sonntag voraussichtlich nur noch mit weniger als fünf Prozent rechnen. Damit würden sie allerdings immer noch die Drei-Prozent-Hürde überspringen. Beobachter gehen davon aus, dass die Neonazis ihre sinkende Popularität mit Gewalt und Provokationen wieder aufzuholen versuchen.

Partei–Chef Nikolaos Michaloliakos, der bereits voriges Jahr als Mitglied des Athener Stadtrats bei einer Sitzung mit einem Hitlergruß provoziert hatte, leugnete vor ein paar Tagen in einem TV-Interview die Existenz der Gaskammern des Dritten Reichs. Auf einer Pressekonferenz nach den Wahlen am 6. Mai forderte ein Abgeordneter der Partei die Journalisten in militärischem Ton zum Aufstehen auf, als Michaloliakos den Raum betrat.

Das Video wurde von vielen Medien verbreitet. Es war ein Warnsignal für diejenigen, die die Neonazis aus Protest gegen die etablierten Parteien gewählt hatten, ohne genau zu wissen, welche Ideologie Chrysi Avgi vertritt. Es folgte am 8. Juni der brutale TV- Auftritt des Pressesprechers der Partei, Ilias Kassidiaris, der eine Abgeordnete der Kommunistischen Partei körperlich angegriffen hatte. Am selben Tag verfolgte ein 24-jähriger Einwohner des Athener Vorort Paiania einen Albaner nach einem Einbruchsversuch und erschoss ihn. Als er vor Gericht gebracht wurde, applaudierten ihm dutzende Einwohner des Vorortes für seine Tat.

Das Wiedererwachen des Faschismus mehr als vier Jahrzehnte nach dem Sturz der Militärjunta im Jahre 1974 nimmt in Griechenland gefährliche Dimensionen an. Die Zahl der rassistischen Übergriffe ist in der griechischen Hauptstadt in den letzten Wochen drastisch angestiegen. Schlägertruppen greifen fast täglich Flüchtlinge und Einwanderer auf offener Straße an: In Bussen oder in der Metro mit Messern oder gar speziell ausgebildeten Hunden, teilweise dringen sie sogar in die Wohnungen von Migranten ein. Verbände beklagen derweilen das unerklärte Verschwinden von 30 Migranten und Flüchtlingen seit vorigem September. Sie befürchten, dass diese in Zusammenhang mit rechter Gewalt stehen.

Ein Kandidat von Chrysi Avgi will nach den Wahlen sogar ausländische Kinder aus Griechenlands Kindergärten vertreiben. Auch aus Krankenhäusern sollen die Einwanderer ausgeschlossen werden. Mittlerweile werden auch Personen aus dem linken Spektrum von den Neonazis angegriffen.

In den griechischen Medien wird immer wieder über die guten Beziehungen zwischen Neonazis und Polizei spekuliert. Mehrere Opfer beklagen, dass die Polizei bei rassistischen Angriffen nicht interveniert. Verwunderlich klingt das nicht. Der Tageszeitung To Vima zufolge hat jeder zweite Polizist bei den Wahlen am 6. Mai seine Stimme Chrysi Avgi gegeben. In manchen Problembezirken Athens rufen die Einwohner statt der Polizei immer häufiger Mitglieder der Partei zur Hilfe, wenn sie Probleme mit Migranten haben. „Die geistigen Kinder Hitlers und Goebbels haben ihre Rolle perfekt gespielt. Sie haben die Bürger zu sich kommen lassen, um eine Lösung für ihre Alltagsprobleme zu finden. Sie sind zu Sheriffs der schutzlosen Städte und Nachbarschaften Griechenlands geworden“, schreibt das Athener Politikmagazin Unfollow.

Fremdfeindlichkeit, Antisemitismus und Faschismus wurden in Griechenland bereits im vergangenen November salonfähig gemacht, als die ultra-konservative rechtsextreme LAOS zusammen mit Nea Demokratia und der sozialistischen PASOK die Notregierung des ehemaligen Bankiers Lukas Papademos unterstützte. Mehrere Politiker von LAOS haben die letzten Monate ihre neue politische Heimat bei der konservativen Nea Demokratia gefunden und damit der Partei von Antonis Samaras einen kräftigen Schub nach rechts gegeben.

Ein prominenter LAOS-Politiker, Makis Voridis, der in seiner Jugend eine rechtsextremistische Bewegung führte und Junta-Befürworter war, ist bereits im Februar zur Nea Demokratia übergetreten und wird sogar von manchen Beobachtern als Nachfolger von Samaras für den Posten des Vorsitzenden von Nea Demokratia gehandelt. Samaras selbst hat in einen Wahlkampfaufritt versprochen, die Städte Griechenlands von illegalen Migranten „zurückzuerobern“.

Die Verbreitung der neofaschistischen Ideologie in Griechenland haben auch die Sozialisten der Pasok begünstigt. Der ehemalige sozialistische Gesundheitsminister Andreas Loverdos veröffentlichte vor kurzem Bilder HIV-infizierter Prostituierter; der ebenfalls bis vor kurzem amtierende Minister für Bürgerschutz, der Sozialist Michalis Chrysochoidis, versprach die Errichtung von 30 Sammellagern für papierlose Migranten und Flüchtlinge. Dort sollen diese bis zu ihrer Ausweisung eingesperrt werden. Damit wären auch die Anhänger von Chrysi Avgi einverstanden.


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