Polen hält an Atomeinstieg fest
Die polnische Regierung hält trotz der Reaktorkatastrophe von Fukushima an ihren Plänen für den Einstieg in die Atomenergie fest. Unbeeindruckt von den Ereignissen in Japan bekräftigt Premierminister Donald Tusk immer wieder, dass für die geplanten polnische Anlagen keine Gefahr bestehe. Polen liege nicht in einem seismisch aktiven Gebiet. „Es gibt genug Mittel, die den Bau eines sicheren Kernkraftwerks in Polen ermöglichen“, so Tusk.
Polen, das bisher über keine Atomkraftwerke verfügt, plant den Bau von mindestens vier Reaktoren. 2016 soll der Bau des ersten Reaktors beginnen, die Standorte stehen noch nicht fest. Die Atomenergie soll den Ausstoß schädlicher Treibhausgase verringern, bislang setzt das Land vor allem auf Kohle. Polen muss auch auf Druck der Europäischen Union seine CO2-Bilanz verbessern. Das Parlament arbeitet an entsprechenden Gesetzen, die vermutlich schon in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden.
Die Katastrophe in Japan hat die Befürworter bislang nicht abgeschreckt. Die pommerische Verwaltung betrachtet unverdrossen eine neue Atomanlage als Chance für die Region und bemüht sich, den Vorfall herunterzuspielen. „Die Vorfälle in Japan beweisen, dass die moderne Kerntechnik sicher ist“, sagt die Kernkraft-Beauftragte der Region Pommern, Teresa Kaminska. Japan verfüge über 50 Kernreaktoren. Infolge der Katastrophe sei es dort bislang nicht zu einem katastrophalen Austritt von Radioaktivität gekommen. Kaminska fügt noch hinzu: „Wir sollten von den Japanern lernen“.
Die vier Reaktoren sind vor allem in den strukturschwachen Regionen in Nord- und Nordwestpolen geplant. Genaue Standorte stehen noch nicht fest. Als Favorit gilt das Dorf Zarnowiec rund 60 km westlich von Danzig. Premier Donald Tusk greift Pläne auf, an denen die Kommunisten gescheitert waren. Anfang der achtziger Jahre hatte man dort mit dem Bau der ersten Atomanlage begonnen, nach der Katastrophe in Tschernobyl stockten die Bauarbeiten. 1989 wurde die Baustelle still gelegt, unter anderem, weil Aktivisten den Transport der Reaktorkerne blockierten.
Als zweiter Standort kommt womöglich der Ort Klempicz knapp 100 Kilometer vor der deutschen Grenze in Frage. Ursprünglich sollte auch ein Kraftwerk direkt an der deutsch-polnischen Grenze gebaut werden. Vor einem Jahr war dieser Plan unter anderem an den Protesten des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck gescheitert. Dieser forderte anlässlich der Katastrophe in Japan das Nachbarland in einem Rundfunkinterview auf, den geplanten Kraftwerke-Bau zu stoppen.
„Hier besteht zwar keine Erdbebengefahr, doch eine Panne kann auch von tausend anderen Faktoren verursacht werden“, sagt Dariusz Szwed, Vorsitzender der 2004 gegründeten grünen Partei. Auch wirtschaftliche Gründe sprächen gegen den Bau. Ökonomischer sei es, wenn Polen, Deutschland, Österreich und Skandinavien sich zu einem Netzwerk zusammentäten, das einen freien Energiehandel ermöglichen würde.
„Die Explosion im japanischen Kernkraftwerk ist eine Warnung für alle, die glauben, dass Atomanlagen sicher sind, insbesondere in einer Zeit des Klimawandels und der Wetteranomalien“, sagt Jacek Winiarski, Sprecher der Greenpeace Polska. Er hofft, dass die polnische Regierung auf ihre Atompolitik verzichtet.
Die polnische Bevölkerung hat auf die Ereignisse in Japan noch nicht mit Protesten reagiert. Gleichwohl prophezeien Experten, dass sich die Stimmung bald gegen die Pläne wenden könnte. „Das atomfreundliche Klima wird sich auch hier verschlechtern“, sagt Professor Wladyslaw Mielczarski von der Technischen Universität in Lodz und Experte am European Energy Institute in Brüssel. „Es wird schwieriger, die Zustimmung der Bevölkerung für Atomprojekte zu gewinnen“. Nach Umfragen war bereits vor der Katastrophe in Japan gut die Hälfte der Polen gegen die Kernkraftwerke der Regierung.