Russland

Tore gegen das Terrorimage

Ramsan Kadyrow, der 34-jährige Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, ist bester Laune. Politisch und sportlich läuft alles rund. Gerade hat das regionale Parlament einstimmig seine zweite Amtszeit abgesegnet, die vom russischen Premierminister Wladimir Putin unterstützt wird. Auch beim Fußball, Kadyrows derzeitigem Lieblingsthema, gibt es immer neue Erfolgsmeldungen. Zu Jahresbeginn lockte Kadyrow, der auch Vereinsboss von Terek Grosny ist, den niederländischen Kultfußballer Ruud Gullit als Trainer in den Nordkaukasus. Gullit, der Ende der achtziger Jahre wegen seiner Rastalocken als „schwarze Tulpe“ bekannt war, soll das tschetschenische Team trainieren. Das glänzt mit neuen Spielern: Gerade steht der Wechsel des marokkanischen Nationalspielers Mbark Boussoufa vom RSC Anderlecht nach Grosny bevor – angeblich für einen zweistelligen Millionenbetrag.


Präsident Ramsan Kadyrow nach dem Spiel gegen Brasilien mit Russland-Mütze / M.Aden, n-ost

Entsprechend optimistisch blickt Präsident Kadyrow in die neue Saison in Russlands Premier Liga. Die beginnt am Sonntag mit einem Spiel zwischen seinem Verein Terek Grosny gegen den amtierenden russischen Meister Zenit Sankt Petersburg. Kadyrow rechnet dank seiner Millionen-Investitionen in die Weltstars mit einem Sieg. Er spannt auch den ehemaligen deutschen Nationalspieler Lothar Matthäus vor den PR-Karren. So kickte Kadyrow am vergangenen Dienstag an der Seite von Matthäus, als außerdem ehemalige brasilianische Nationalspieler zu einem Freundschaftsspiel nach Grosny gekommen waren. Kadyrow schoss zwei Tore. In der Halbzeitpause tanzte er im roten Trikot mit der Nummer 10 den tschetschenischen Nationaltanz, die Menschen auf der Tribüne jubelten. „Im Krieg vor nicht einmal zehn Jahren standen hier am Stadion überall Panzer, alles war kaputt. Aber nun kommen Weltstars zu uns“, freute sich beispielsweise der 32-jährige Terek-Fan Aslan.


Zur Halbzeit im Stadion von Grosny gehören nationale Liede / M.Aden, n-ost

Auch für Kadyrow persönlich ist die Fußball-Kampagne ein Kampf gegen den Terror. Denn 2004 kam sein Vater Achmat Kadyrow, der damals der Präsident Tschetscheniens war, im Stadion von Grosny bei einem islamistischen Anschlag ums Leben. Hauptsponsor heute ist folglich der Achmat Kadyrow-Fonds. Viele Einheimische fragen sich allerdings, woher der Fonds die vielen Millionen für neue Spieler hat. Es fließe kein Geld aus dem zum Großteil von Moskau finanzierten Budget der Republik in den Fußball, beteuert die tschetschenische Führung immer wieder. Hinter vorgehaltener Hand vermutet ein Regierungsmitarbeiter, dass die neue Fußballoffensive vielleicht schuld daran sei, dass er und seine Kollegen gerade auf zwei Monate Lohn verzichten mussten.


Ein Begrüßungsplakat für die brasilianische WM-Auswahl von 2002 vor Moschee-Baustelle in Grosny / M. Aden, n-ost

Für Kadyrow sind das Details. Was zählt, ist die Mission: Der Präsident will mit Toren gegen das Terror-Image seiner Republik angehen. Fußball soll weltweit zum Markenzeichen Tschetscheniens werden. Bisher prägen Top-Terroristen wie Doku Umarow das Bild der Kaukasus-Republik. Umarow brüstet sich in immer neuen Videos, im Januar 2011 die Selbstmordattentäter an den Moskauer Flughafen Domodedowo geschickt zu haben.

Menschenrechtsaktivisten kritisieren Kadyrows Fußball-Kampagne. Sie werfen dem Präsidenten vor, in Entführungen, Mord und Folter verwickelt zu sein. „Es ist unmoralisch, dass international bekannte Fußballer sich für Kadyrows Machtdemonstrationen vor den Karren spannen lassen“, sagt die Menschenrechtsaktivistin Swetlana Gannuschkina aus Moskau.


Lothar Matthäus reiste nach Grosny und spielte mit Kadyrow in einer Mannschaft / M. Aden, n-ost

Der Niederländer Ruud Gullit weicht solchen Fragen aus. „Ich bin nur wegen des Fußballs hier, und der kann den Menschen in Tschetschenien, die so viel gelitten haben, viel Glück geben.“ Der deutsche Ex-Nationalspieler Lothar Matthäus gab zu, „sehr wenig“ über Tschetschenien zu wissen.


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