Roter Teppich für den Diktator
Wie es Jamshid geht, weiß derzeit keiner seiner Kollegen. Zum letzten Mal wurde der Journalist am 12. September 2006 gesehen, als er seine kranke Mutter besuchen wollte. Dann verschwand er. Zwei Wochen später erfuhr die Familie, dass er in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden war. Dort sitzt Jamshid bis heute.
Lediglich sein Onkel ist vermutlich gut über Jamshids Gesundheitszustand informiert. Denn Jamshid Karimow ist der Neffe des usbekischen Präsidenten Islam Karimow. „Der hat die Einweisung seines Neffen angeordnet“, ist Abdujalil Boymatow von der Gesellschaft für Menschenrechte in Usbekistan überzeugt, „ebenso die wiederholten psychiatrischen Zwangsbehandlungen, die bei ihm Wahrnehmungsstörungen und zeitweilige Blindheit auslösten.“
Jamshid Karimow ist einer der wenigen regimekritischen Journalisten im zentralasiatischen Usbekistan, das seit 1989 von Islam Karimow – erst als Chef der Kommunistischen Partei, dann als Präsident – regiert wird. Jamshid Karimow arbeitete für das Portal ferghana.ru und das Institute for War and Peace Reporting (IWPR). Diese und andere aus dem Ausland betriebene Internetseiten sind der einzige Zugang zu unabhängigen Nachrichten in Usbekistan.
Insgesamt sind in dem zentralasiatischen Land derzeit elf Journalisten inhaftiert. Salijon Abdurakhmanow beispielsweise berichtete für das unabhängige Portal uznews.net. Seit Juni 2008 ist er in Haft, zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wegen Drogenhandels. Abdurakhmanow ist unschuldig, ist sich die Chefredakteurin von uznews.net, deren Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann, sicher: „Die Drogen, die man in seinem Auto gefunden hat und auf denen die gesamte Anklage beruht, wurden hineingeschmuggelt.“
Dass die internationale Öffentlichkeit die wiederholten Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan kaum zur Kenntnis nimmt, ist für die uznews.net-Chefin nicht neu. „Doch dass die EU Karimow auf Augenhöhe trifft, ist ein absolut falsches Signal an Usbekistan.“
Am 24. Januar wird der usbekische Präsident in Brüssel vom Präsidenten der EU-Kommision José Manuel Barroso und bei der NATO empfangen. Es ist das erste Treffen Karimows mit der EU seit dem Massaker in Andijan im Mai 2005. Damals ließ er bei einem Aufstand mehrere hundert Menschen erschießen. Seitdem hat sich Usbekistan zunehmend nach außen abgeschottet, Regimekritiker werden noch härter bestraft. Menschenrechtler fordern Karimow anlässlich des EU-Besuchs erneut auf, auch die inhaftierten Journalisten freizulassen.
Am kommenden Montag sollen Energie- und Wirtschaftsfragen sowie die Entwicklung in Afghanistan erörtert werden, heißt es bei der EU, und natürlich auch die Menschenrechte. Doch wahrscheinlich sind es andere Argumente, die die Gespräche in Brüssel bestimmen werden.
Usbekistan verfügt über riesige, kaum erschlossene Erdöl- und Gasreserven und ist ein potentieller Lieferant für die Nabucco-Pipeline. Die soll Europa aus der Energieabhängigkeit von Russland lösen, krankt aber schon vor Baubeginn am Mangel potentieller Zulieferer – ein gutes Verhältnis zu den Energieriesen in der Kaspischen Region, unter ihnen eben auch Usbekistan, ist daher entscheidend für den Erfolg von Nabucco. Darüber hinaus betreibt Deutschland in Termes im Süden Usbekistans seinen einzigen Stützpunkt zur Versorgung der Afghanistan-Truppen außerhalb des Krisengebietes.
Von diesen Interessen gelenkt hat Deutschland bereits 2009 die nach dem Massaker in Andischan verhängten EU-Sanktionen gegenüber Usbekistan aufgehoben – ein Waffenembargo und ein Einreiseverbot für zwölf führende usbekische Politiker.
Für die Chefredakteurin von uznews.net ist der Empfang in Brüssel ein Eingeständnis der EU, sich den Machtspielen Karimows zu beugen. „Der Besuch zeigt, wie kraftlos die Europäische Union tatsächlich ist.“