Kasachstan

Wagner-Oper in Eigenproduktion

Bei der Probe am Wochenende vor der Premiere ist der Dirigent zu langsam, dem Tannhäuser fehlt die Ausdauer und beim Licht wird improvisiert. Doch das, so Ansgar Haag, sei an deutschen Theatern nicht anders. „Bei der Premiere klappt alles“, ist sich der Intendant der Staatstheaters Meiningen sicher.

Haag inszeniert die Wagner-Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ in der kasachischen Staatsoper Almaty. Premiere ist an Heiligabend, im doppelten Sinne. Zwar gab es bereits Wagner-Gastspiele deutscher Theater in Kasachstan, doch diesmal hatten die Kasachen den Ehrgeiz, erstmals eine eigene Inszenierung zu produzieren.

Seit sechs Wochen ist Haag deshalb in Almaty. Der Intendant, der in Meiningen den Tannhäuser inszenierte, war von den Bedingungen dort überrascht: Der Chor sei dreimal so groß wie das am Theater  Meiningen, das Orchester sei stark und es wisse zudem – das sei selbst in Deutschland nicht selbstverständlich –, was piano bedeute. „Meine Sorge war, dass sie die Noten lesen und dann wagnerisch losbrettern würden. Doch dieses Orchester ist sehr sängerfreundlich.“

Die Ausstattung des „Tannhäuser“ wird für das Publikum in Almaty gewöhnungsbedürftig sein: Ein großer Gitterkäfig auf der Bühne ist die Sängerhalle. Die reduzierten Bühnenbilder des modernen Theaters in Europa sind in Kasachstan unüblich. Hier setzt man auf opulente, realitätsnahe Dekorationen, die Klassiker der italienischen und russischen Oper werden traditionell gespielt.

Da Wagner in Kasachstan nahezu unbekannt sei, müsse mehr erklärt werden, so Haag. „Hier wird stärker über szenische Vorgänge erzählt, als das in Deutschland üblich ist.“ Die Direktheit sexueller Themen im „Tannhäuser“ sei auf der Bühne in Kasachstan genauso fremd wie bei der Dresdner Uraufführung vor 155 Jahren. „Dagegen hinterfragen die Sänger die fehlende dramaturgische Logik im ‚Tannhäuser’ stärker, in Deutschland wird sie oft einfach hingenommen.“



Ansgar Haag, Intendant am Südthüringischen Staatstheater Meiningen
vor der Staatsoper in Almaty und der Premierenankündigung für den „Tannhäuser“. / Edda Schlager, n-ost

Kyrill Borchaninow, der den Landgrafen Hermann von Thüringen singt, hofft: „Diese Inszenierung wird den Anfang machen hin zu einem moderneren Musiktheater in dieser Region.“ Für ihn ist die Arbeit mit Haag eine Entdeckungsreise zu einem Klassiker, den er seit Jahren verehrt, aber nie singen konnte. Denn es fehlt die Menge gut ausgebildeter Stimmen. Für die meisten Sänger in Kasachstan sind die Wagnerschen Rollen zu lang und zu strapaziös.

„Ob das Ergebnis dem deutschen Ohr, das Wagner in- und auswendig kennt, standhält, interessiert mich nicht,“ so Regisseur Haag. Wichtiger sei, mit diesem Ensemble zu arbeiten, auch wenn die Sänger erst später sicherer würden.

Für Haag ist die Zusammenarbeit mit den Kasachen nach der „Tannhäuser“-Premiere nicht vorbei. 2013 will er erstmals in Deutschland eine kasachische Oper aufführen, „Abai“ von Achmet Zhubanow, einem kasachischen Komponisten. Eine klassische Geschichte um Liebe, Verrat und Eifersucht, angelehnt an das Leben des kasachischen Nationaldichters Abai Kunanbajuly. Zhubanow schrieb die Oper während der Sowjetära, entsprechend ideologisiert ist sie: Sein Streben nach Wissen erreicht der Dichter nur durch den Abschied vom Nomadenleben. Bei Haag soll dagegen die Emanzipation der Kasachen im Vordergrund stehen – und das sogar ein wenig naturalistischer inszeniert, als es die Kasachen selbst tun würden.


Weitere Artikel