Empörung über französischen Romagipfel
Am Montag, dem 6. September, lädt der französische Präsident Nicolas Sarkozy zu einem Einwanderungsgipfel nach Paris ein. Es geht nicht nur um die Roma-Frage, es soll auch über die Möglichkeiten einer generellen Abschiebung von EU-Bürgern diskutiert werden. Kein osteuropäisches Land ist eingeladen - weder Rumänien noch Bulgarien, die Heimatländer der meisten Roma. Auch andere osteuropäische Länder fühlen sich bereits im Vorfeld provoziert.
Valentin Mocanu, Roma-Sonderbeauftragter der rumänischen Regierung, forderte von Präsident Sarkozy eine Erklärung, weshalb Rumänien zum Pariser Gipfeltreffen nicht eingeladen wurde. „Wir werden eine Diskriminierung unserer Staatsbürger nicht tolerieren, egal, was das Kriterium ist“, sagte auch Bogdan Aurescu, Staatssekretär im Bukarester Außenministerium, bei einem Besuch in Brüssel.
Auch Menschenrechtsgruppen sind empört. Der Bürgerverband der rumänischen Roma rief sogar zum Boykott französischer Produkte am Tag des Gipfels auf. „Wir protestieren gegen die Säuberungspolitik der französischen Regierung und gegen kollektive Abschiebungen. Über Grundrechte lässt sich nicht verhandeln“, heißt es in dem Appell der Roma-Organisation.
Auch in Bulgarien, wohin bisher 26 bulgarische Roma ausgewiesen wurden, wird der Gipfel mit Skepsis betrachtet. Bulgarische Medien werfen Außenminister Nikolai Mladenov vor, die offene Konfrontation mit Frankreich aber zu scheuen, aus Angst, dass ein Konflikt den für 2011 geplanten Schengen-Beitritt aufs Spiel setzen könnte. „Dabei könnte eine europäische Debatte über das Roma-Problem, das immer mehr zu einem gesamteuropäischen avanciert, Formeln aufzeigen, die in den einzelnen Ländern funktionieren, die Ressourcen vereinen und einen Neuanfang bieten, der wirkliche Lösungen verspricht“, kritisierte die Wochenzeitschrift Tema schon Anfang August. „Sonst bleibt alles beim Alten - wir schicken die Roma nach Europa und Europa schickt sie uns zurück. Das Dumme an einer solchen Reise ist, dass sie nirgendwo hinführt.“
Mit Blick auf die jahrelange Kritik an Bulgariens Minderheitenpolitik auf der einen, und dem derzeitigen Schweigen gegenüber Frankreich auf der anderen Seite, spricht die Tageszeitung Novinar das aus, was derzeit viele Bulgaren denken: „Europa-Politiker wenden in Bezug auf die Roma Doppelstandards an.“ Obwohl die meisten Kommentatoren die Aktion Frankreichs verurteilen, gehen sie allerdings nicht so weit, die betroffenen Roma in Schutz zu nehmen.
In Tschechien, wo schätzungsweise 100.000 Roma leben, reagierte man auf die Nichteinladung zur Roma-Konferenz ebenfalls verschnupft. Spitzenpolitiker wie Außenminister Karel Schwarzenberg und auch Präsident Vaclav Klaus warfen Sarkozy wegen der Roma-Ausweisung „rassistische Tendenzen” vor.
Das wiederum bringt Kommentatoren wie den bekannten Publizisten Jiri Pehe auf: Tschechien sollte besser vor der eigenen Haustür kehren. „Da schwadronierte einst ein Vizepremier Cunek über die Roma als 'sonnengebräunte' Mitbürger“, schreibt er in seinem Blog auf der Internetseite aktualne.cz. Schwarzenberg und die Mehrheit der tschechischen Politiker ließen auch die Bürgermeisterin von Chomutov gewähren, die Mietschulden von Roma eintreiben ließ und dabei auch vor deren Sozialleistungen nicht Halt machte.
In Frankreich lebten immerhin Millionen Zuwanderer. „Erst wenn auch Tschechien einmal solch eine ethnische Zusammensetzung seiner Bevölkerung hat, werden kritische Worte an die Adresse vermeintlicher französischer Rassisten etwas glaubwürdiger. Bislang aber leben wir in einem Land, in dem Romakinder in Sonderschulen gesteckt und Roma in Ghettos am Rand der Städte umgesiedelt werden“, so Pehe.