Kampf gegen die verheerenden Waldbrände
Die roten Sterne auf dem Kreml, die bunten Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale oder die silbergrauen Hochhaustürme des Finanzzentrums Moskau City – sie alle waren am Montag verhüllt von einer dichten Wolke aus Rauch und Smog. Im Online-Wetterbericht hieß es: „Moskau, 34 Grad, Rauch.“ Seit Wochen liegen die Temperaturen in der Hauptstadt Moskau bei fast 40 Grad, allein im vergangenen Monat wurden zehn Hitzerekorde aufgestellt. Im ganzen Land brennt es.
Der Grund für die giftige Rauchwolke sind unzählige Feuer, die nach Wochen der Hitze und Dürre in Torfmooren und Wäldern rund um die Megastadt ausgebrochen sind. Allein am Montag wurden in der Moskauer Region über 90 Brandstellen gemeldet. Doch auch in vielen anderen Regionen brennt es. Insgesamt standen am Montag in West- und Zentralrussland 500.000 Hektar in Flammen und es gab über 7000 Feuer, wie die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das nationale Krisenzentrum meldete. Die russischen Medien berichteten von mindestens 34 Toten und rund 2500 zerstörten Häusern. Tausende von Menschen wurden evakuiert.
Besonders betroffen sind außer Moskau die Regionen um die Städte Woronesch, Rjasan und Nischni Nowgorod. Präsident Dmitrij Medwedew und Premier Wladimir Putin tun unterdessen alles, um der Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, die Lage unter Kontrolle zu haben. Das russische Staatsfernsehen zeigte sie Ende vergangener Woche bei einem ernsten Telefongespräch: Putin stand in einem ausgebrannten Dorf und berichtete Medwedew, der im Kreml saß, vom Ausmaß der Katastrophe. Den Einwohnern eines vollkommen ausgebrannten Dorfes versprach Putin, der das helle Hemd hochgekrempelt trug, dass ihre Häuser bis zum Winter wieder aufgebaut würden – auf Staatskosten.
„Weder Feuer noch Wind haben freie Tage, deshalb dürfen auch wir uns keine freien Tage nehmen”, mahnte Putin. Insgesamt sind fast 250.000 Helfer im Einsatz, auch das Militär ist zum Kampf gegen die Brände abgestellt. Am Montag rief Premier Putin die Gouverneure der Regionen zu einer Krisensitzung in Moskau zusammen und forderte schnelle und konkrete Informationen darüber, wer unter dem Feuer gelitten habe, damit der Staat umgehend Hilfe leisten könne. Russische Internetmedien berichten unterdessen darüber, dass einige Menschen ihre Häuser selbst in Brand stecken, um staatliche Hilfen zu erhalten.
Doch die meisten Menschen in den Feuergebieten kämpfen weiter um ihre Existenz und die ihrer Dörfer. „Wir hauen mit Schaufeln und Äxten auf die Flammen ein – es ist zum Verzweifeln. Wir haben keine passende Ausrüstung“, rief ein Bewohner eines Dorfes bei Nischni Nowgorod, rund 500 Kilometer entfernt von Moskau, in die Fernsehkameras.
Aus dem Ausland kommen bereits Hilfsangebote – auch aus Deutschland. Außenminister Guido Westerwelle sagte, dass Deutschland beim Bau von Notunterkünften und der Beseitigung der Folgen des Feuers behilflich sein könne. Doch nur langsam kommt in Russland die Frage auf, warum die Lage überhaupt so eskalieren konnte. Während Putin die Verwaltungen in den Provinzen beschuldigt, nachlässig beim Brandschutz gewesen zu sein, geben Oppositionelle der Moskauer Führung die Schuld. Die Politiker in den Regionen könnten keine selbstständigen Entscheidungen treffen, heißt es von ihrer Seite. Der Chef der liberalen Jabloko-Parteo kritisierte, dass es in Russland keine Umweltpolitik gäbe.
Zwar müssen die Moskauer bisher nicht um ihre Häuser bangen, da der Brandschutz in der Hauptstadt für die politische Führung Priorität hat. Aber selbst sie, die extreme Temperaturen und extreme Lebensumstände eigentlich gewohnt sind, leiden unter Smog und Hitze wie selten zuvor. Wer aus den Metrogewölben oder dem dank Klimaanlage herunter gekühlten Auto heraustritt, dem schlägt eine Wand aus Hitze entgegen, die Augen fangen an zu brennen. „Diese Hitze auszuhalten, das ist viel schwieriger als Temperaturen von minus 30 Grad, die wir im Winter hatten. Ich vermisse den Winter“, sagt die 45 Jahre alte Alla, die an einem Straßenstand Melonen verkauft. Einige ihrer Kunden tragen Mundschutz. Das haben Ärzte vor allem für ältere Menschen und Kleinkinder empfohlen. Wie so viele Moskauer, die in ihren Wohnblocks aus Sowjetzeiten keine Klimaanlage haben, fürchtet Melonenverkäuferin Alla auch den Moment, an dem sie am Abend nach Hause kommt. Ventilatoren sind fast in allen Elektromärkten der Stadt seit Tagen ausverkauft. Die kleinen Restbestände werden für umgerechnet 80 Euro oder mehr angeboten.
Manche Russen sagen sogar, sie hätten die Feuerkatastrophe kommen sehen. Denn der August gilt bei den als abergläubisch geltenden Russen als Unglücksmonat. Im August 1998 begann der Zusammenbruch der gesamten russischen Wirtschaft. Weitere Katastrophen, zum Beispiel der Untergangs des U-Bootes Kursk im Jahr 2000 oder der Krieg mit Georgien 2008, geschahen ebenfalls in diesem Monat.
Ein Ende der diesjährigen August-Katastrophe ist noch nicht in Sicht: Im Laufe der Woche sollen die Temperaturen weiter steigen, Regen ist nicht vorausgesagt. Im Kampf gegen das Feuer gehen Russland die weltlichen Mittel aus. Der Patriarch Kyrill, das Oberhaupt der Russisch Orthodoxen Kirche, hat nun angeordnet, dass in allen Kirchen gebetet werden soll – für ein Ende der Feuersbrunst und Regen.