Schröder für EU-Abkommen mit Russland
Für ein Assoziierungsabkommen der EU mit Russland plädierte Ex-Kanzler Gerhard Schröder am Donnerstagabend in Berlin. Ähnliche Abkommen hat Brüssel bereits mit anderen Ländern geschlossen. Die Assoziierung soll den Verkehr von Waren und den Austausch zwischen den Menschen erleichtern. Russland könne auf diese Weise enger an europäische Werte heran geführt werden, sagte Schröder auf einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich Ebert-Stiftung. Außerdem müsse die Zusammenarbeit vertieft werden, damit die EU ein strategischer Faktor der Weltpolitik bleibe. Eine Mitgliedschaft Russlands stehe in absehbarer Zeit allerdings nicht auf der Agenda.
Der russische Spitzenpolitiker Sergej Mironow zeigte sich von Schröders Vorstoß überrascht. Mironow gehört als Vorsitzender des Föderationsrats, der ersten Kammer des russischen Parlaments, zur engeren Führung des Landes. Er warb für eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur, die Russland, weitere Staaten Europas und Nordamerika umfassen solle. Der russische Präsident Dmitri Medwedew hatte diesen Vorschlag erstmals im Juni 2008 in Berlin vorgebracht. Er sieht unter anderem den Verzicht auf Gewalt und eine vertiefte Kooperation vor und wurde im November 2009 nochmals konkretisiert.
Die Bundesregierung zeigte sich, im Gegensatz zu einigen NATO-Partnern, der russischen Initiative gegenüber aufgeschlossen. Mironow kritisierte in Berlin das „veraltete Denken“ einiger Länder, die sich nicht kooperationsbereit zeigten. Schröder sprach von der „Hand, die Medwedew gereicht hat“. Man müsse sie ergreifen und gemeinsam tragfähige Zukunftskonzepte entwickeln. Der deutsche Ex-Kanzler schlug zudem vor, die deutsch-französisch-polnischen Spitzengespräche des „Weimarer Dreiecks“ wieder zu beleben und dazu auch Russland einzuladen. Mironow betonte, Europa sei ohne Russland unvollständig und Russland umgekehrt ohne Europa nicht denkbar.
Russische Vertreter beklagten auf der Veranstaltung zum 65. Jahrestag des Kriegsendes Tendenzen, die Geschichte umschreiben sowie Opfer- und Täterrollen vertauschen zu wollen. Mironow verwies auf Kundgebungen von Veteranen lettischer SS-Einheiten. US-Außenminister Colin Powell hatte vor dem NATO-Beitritt Lettlands 2004 das Ende dieser Versammlungen gefordert. Sie werden seither nicht mehr staatlich gefördert, finden jedoch weiterhin statt. Lettische SS-Truppen waren an der Ermordung von über 100.000 Juden aus halb Europa beteiligt.
Präsident Medwedew hat 2009 eine Kommission eingesetzt, die einer verfälschten Darstellung der russischen Geschichte auch im Ausland entgegen wirken soll. Manche Beobachter werten dies als Versuch des Kremls, von Stalinschen Verbrechen ablenken und die eigene Weste rein waschen zu wollen. Hoffnungen auf Reformen und eine Öffnung des politischen Systems, die vor zwei Jahren beim Amtsantritt Medwedews aufgekommen waren, haben sich bislang kaum erfüllt.