Deutschland

Politisch unkorrektes Lachen

Joe ist ein richtiger Kerl. Furchtlos reitet er im weißen Anzug auf dem Schimmel durch die Prärie. Dem Wilden Westen bringt er Gesetz und Ordnung und vermarktet ganz nebenbei noch das Limonadengetränk „Kolaloka“. Joe will die Whiskey-Trinker von seinem Wundergebräu überzeugen, eröffnet eine Limonaden-Bar und beginnt so einen gnadenlosen Kampf gegen den geschäftstüchtigen Whiskey-Barbesitzer Dough Badmann.

Als trist, ernst und problembeladen wird das osteuropäische Kino gerne kritisiert. Das dem nicht immer so war, hat am Wochenende ein Symposium auf dem goEast-Filmfestival in Wiesbaden bewiesen. Gezeigt wurden Produktionen aus Ungarn, Russland, Polen oder der Tschechoslowakei, die intelligentes Kino mit viel Humor garantieren.

So ist der eingangs erwähnte „Limonaden Joe“ („Limonadovy Joe“) von Oldrich Lipsky 1964 in der Tschechoslowakei zum Kultfilm avanciert. Fast durchweg in limonadenfarbenem Knallgelb gehalten, hat der Regisseur das exportstärkste und amerikanischste aller Filmgenres, den Western, ironisch untergraben. Lipsky montiert slapstickartige Keilereien, werbefilmartige Szenarien und Originalzitate aus Cowboyfilmen, um den amerikanischen Superhelden als Sklaven des Kapitalismus zu entlarven. Das Ergebnis mündete mitnichten in antiamerikanischer Propaganda, sondern einem erfrischend satirischen Blick auf den Westen.

Ganz anders funktionieren die Komödien der „Neuen Welle“ von Miloš Forman, Věra Chytilová oder Jiří Menzel. Die Filmwissenschaftlerin Oksana Bulgakowa sagt über sie: „Ihnen ist es gelungen, über die nüchterne, quasi dokumentarische Beobachtung eines Durchschnittshelden die Bewusstmachung eines Lebensstereotyps zu vermitteln, die ein bitteres Lachen provoziert.“

Doch damit sollte bald Schluss sein: Jiri Menzel drehte 1969 die rebellische Farce „Lerchen am Faden“, in der Intellektuelle und Juristen neben Handwerkern auf einem Schrottplatz zwangsumerzogen werden sollen. Gegen Ende des „Prager Frühlings“ – noch vor seiner Uraufführung – wurde der Film verboten. Etwas besser erging es Defa-Regisseur Siegfried Kühn. Sein poetisch-subversives Werk „Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow“ erzählt von einem Schrankenwärter, den der technische Fortschritt einholt. Der Film wurde zwar nicht wirklich verboten, startete aber ohne Premiere und Rezensionen und wurde nur in kleinen Programmkinos in der DDR aufgeführt.

„Wir würden den Film ja gerne zeigen, aber der Autor Helmut Baierl hat ihn zurückgezogen“, lautete damals die Begründung eines Zulassungsgremiums beim Versuch, den Film zu verbieten. Im Zweifelsfall bekamen die DDR-Bürger eher weniger Rebellisches zu sehen. „Die Zensur war in der DDR auf so viele Schultern verteilt, dass niemand mehr genau wusste, wie sie überhaupt funktioniert“, erinnert sich der 1954 geborene Defa-Regisseur Dietmar Hochmuth.

Das war im Nachbarland Ungarn etwas anders. „Wer sich an die Spielregeln hielt, den, Aufstand von 1956 nicht thematisierte und sich nach 1968 nicht negativ über den Verbleib der russischen Armee in Ungarn äußerte, konnte arbeiten“, erzählt der Literaturwissenschaftler György Feheri.

Peter Bacsos groteske Komödie „Der Zeuge“ („A Tanu“) von 1969 wurde trotzdem verboten. Zu deutlich hatte der Ungar die Unfähigkeit hoher Parteimitglieder und die Ungereimtheiten im Sozialismus überzeichnet. Erzählt hatte Bacso die Geschichte des guten Mannes Jozsef Pelikan. Stets bereit, die ihm anvertrauten Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, wird der gutmütige Deichwärter von führenden Parteigenossen vor jeden Karren gespannt: Mal lässt er als Hallenbad-Direktor die Arbeiterklasse das Schwimmbecken stürmen, in dem gerade ein hoher Parteifunktionär seine Bahnen zieht. Dann bemüht er sich erfolglos um die Zucht der ersten ungarischen Orange oder richtet einen Vergnügungspark mit sozialistischem Antlitz ein. Alles geht schief und Pelikan landet ein ums andere Mal hinter Gittern. Frisch entlassen, soll der Bauern-Schwejk in einem Schauprozess gegen einen unschuldigen Freund aussagen – und verliest statt der vorformulierten Zeugenaussage das vorgefertigte Urteil.

Aber auch bei den Magyaren bedeutete ein Filmverbot nicht das komplette Aus: Vor ideologisch gebildeten Menschen wie Parteifunktionären, Staatsangestellten oder auch Studenten kam „Der Zeuge“ zur Aufführung. György Feheri vermutet: „So hatte er wahrscheinlich mehr Zuschauer, als er je im Kino gehabt hätte.“

Großen Zuspruch beim heimischen Publikum hat der tschechische Film auch heute noch. Trotzdem ist der tschechische Kunstkritiker Tomas Glanc enttäuscht darüber, dass viele politisch starke Themen seit der samtenen Revolution mit komödienhafter Leichtigkeit dargestellt werden. Ihnen aber fehlt, wofür sie einst bekannt waren: die subversive Kraft.


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