Roma wollen Kater Mikes an den Kragen
Katzen haben sieben Leben, sagt man. Kater Mikes ist schon sehr viel älter. Sein Schöpfer, der Schwejk-Zeichner Josef Lada, erdachte die Märchenfigur in den 1930er Jahren. Damals erschienen die Geschichten über den gestiefelten Kater, der von einem Schusterjungen das Sprechen lernt und der in der ganzen Welt sein Glück sucht, in mehreren Fortsetzungen. Die Leser, nicht nur die jungen, waren begeistert. Natürlich in erster Linie wegen der vielen Abenteuer, die der kleine Bartputzer bestehen musste. Die Geschichten vermittelten aber auch ein typisch böhmisches Heimatgefühl, einen dörflichen Charme, ein Wunschbild, dem man gern nachhing.
Kater Mikes ein Rassist?
Wenn es nach einem tschechischen Roma-Aktvisten geht, dann soll es jetzt vorbei sein mit dem vorwitzigen Kätzchen, das auch viele deutsche Kinder aus der Augsburger Puppenkiste kennen. In der Übersetzung von Otfried Preußler, die jedoch sehr vom Original abweicht, heißt da der Kater Mikesch. Mikes, so lautet der Vorwurf, äußere sich rassistisch über die Roma, nenne sie frech „Zigeuner“. Das gehe so nicht. Schon gar nicht gehe es, dass Mikes bis heute in den tschechischen Schulen im Unterricht als Lehrmittel benutzt werde. Den tschechischen Kindern werde damit „Rassismus eingepflanzt“.
Zehntausende Facebook-Freunde für Mikes
Die Tschechen waren platt angesichts dieser Forderung. Im Online-Netzwerk Facebook organisierten sie einen Protest gegen den Verbotsantrag. Innerhalb nur eines Tages äußerten sich mehr als zehntausend Menschen zugunsten des Katers. Sie wollen sich den bärtigen Fratz nicht so einfach nehmen lassen. Kein zweites Ereignis beschäftigt das Land derzeit so sehr wie das Schicksal von Mikes.
Der Kater schaffte es sogar in die Kommentarspalten seriöser Tageszeitungen. Dort amüsierte man sich vordergründig über den Verbotsantrag und glossierte den Vorgang. Die auflagenstärkste Zeitung Mlada fronta dnes etwa zeigte gekünstelt Verständnis für den Roma-Aktivisten, der die Ehre seiner Minderheit bedroht sieht. Das Buch gehöre zweifellos verboten, schrieb der Kommentator. Und nicht nur dies. Eigentlich gehöre jedes Buch verboten, auch die besten, finde man doch in jedem Buch einen Grund, es auf den Index zu setzen.
Auch Balzac „unentschuldbar“
Als Beispiel zog der Kommentator ein Buch von Honore Balzac heran, in dem dieser den Satz geschrieben habe: „Man zeige den Polen einen Abgrund und sie springen sogleich hinein.“ Der Kommentator weiter: „Das ist im Lichte der jüngsten Ereignisse verurteilenswert. Nun könnte zwar jemand einwenden, dass Balzac die jetzigen Ereignisse nicht voraussehen konnte. Dennoch ist derlei absolut unentschuldbar“.
Aber so sei das halt. „Die Tschechen fühlen sich auch bis ins Mark getroffen, wenn sie in deutschen oder österreichischen Läden die warnende Aufschrift sehen: ‘Tschechen, klaut nicht!‘. Obwohl sie wissen, dass manche Tschechen wirklich so diebisch sind wie Elstern.“
Wie der Streit um Mikes ausgeht, ist offen. Vielleicht hilft es dem Kater, dass einer der Verantwortlichen für den Unterrichtsstoff an tschechischen Schulen selbst Mikes heißt. Aber das muss noch nichts heißen. Der Kläger aus der Roma-Minderheit heißt Mika. Das bedeutet auch nichts anderes als „Kater“.