Serbien

Literaturprogramm mit Grillteller

„Wir wollen die Aufmerksamkeit auf junge serbische Autoren lenken“, kündigte der Direktor der Leipziger Buchmesse Oliver Zille an, als er in dieser Woche das Programm für das kommende Jahr vorstellte. 2011 wird Serbien das Schwerpunktland auf der Buchmesse sein. Seit Jahren fokussiere seine Messe Literatur aus Südosteuropa, um sie auf den deutschen Büchermarkt zu bringen, so Zille. Die zweite Begrüßungsrede am serbischen Stand hielt die Powerfrau Vida Ognjenović. In einer Person ist sie zugleich Vorsitzende des serbischen PEN-Clubs, stellvertretende Vorsitzende der regierenden Demokratischen Partei Serbiens (DS), serbische Botschafterin in Dänemark, Kuratorin der diesjährigen Messe-Präsenz und auch selbst Schriftstellerin.

2011 geht es um die dritte Generation

Dem deutschsprachigen Publikum noch aus jugoslawischer Zeit wohl bekannt sind bereits verstorbene Schriftsteller wie der Nobelpreisträger Ivo Andrić, Aleksandar Tišma oder Danilo Kiš. Auch die regimekritischen Schriftsteller unter Milošević sind im deutschsprachigen Raum präsent, etwa der in Berlin lebende Bora Ćosić, der nach Kanada emigrierte serbisch-jüdische Schriftsteller David Albahari oder Dragan Velikić, der später serbischer Botschafter in Wien wurde.

Nach Meinung von Sreten Ugričić, dem Leiter der serbischen Nationalbibliothek, geht es im Jahre 2011 jedoch um die dritte Generation, die in die Fußstapfen der besagten Autoren tritt. Zu dieser Generation gehört zum Beispiel Vladimir Pištalo, der in Frankreich mit seinem Roman „Millennium in Belgrad“ bereits großen Erfolg verzeichnete. Der zwischen den USA und Belgrad pendelnde Geschichtsprofessor erhielt für sein aktuelles Buch über das serbisch-amerikanische Erfindergenie Nikola Tesla im vergangenen Jahr außerdem den renommierten serbischen NIN-Preis. Ein weiterer der neuen Autoren ist Lazlo Blašković, der seine leise, ironische und zuweilen charmant-bizarre Erzählkunst bereits auf der Messe 2010 präsentierte. Er gibt in Novi Sad eine der besten serbischen Literaturzeitschriften „Polja“ (Felder) heraus. Auf mindestens zehn solch neuer, starker Literaten setzt Serbien im kommenden Jahr als Schwerpunktland.

„Die zeitgenössische serbische Literatur konstituiert sich auf der furchtbaren und mit dem höchsten Preis bezahlten Erfahrung der dramatisch verdichteten Geschichte am Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts“, stellt Sreten Ugričić, etwas vorsichtig formuliert, fest „Mit der Wahrheit konfrontiert, wenden noch immer viele Schriftsteller den Blick ab“, wird er direkter. Er plädiert für die bereits vorhandene serbische Literatur, die in der Konfrontation mit der Wahrheit eine ästhetisch überzeugende Auseinandersetzung betreibt.


„Serbien in Sicht“: Programmvorstellung für 2011 am serbischen Stand. Von rechts nach links: Vladimir Pištalo, Sreten Ugričić, Vida Ognjenović, Oliver Zille und der serbische Schriftsteller Radoslav Petković / Dagmar Vohburger, n-ost

Eine Gruppe in der modernen serbischen Literaturszene betrachtet die Gesellschaft nicht nur moderat kritisch, sondern radikal herausfordernd. Die Jungen Wilden um die Literaturbeilage Beton, die wöchentlich in der Belgrader Tageszeitung „Danas“ erscheint, gehen erbarmungslos mit sämtlichen Facetten des serbischen Nationalismus ins Gericht. Dabei verschonen die Beton-Redakteure – die meisten von ihnen sind auch Literaturkritiker oder Schriftsteller – nicht einmal ihre etablierten Kollegen, die einst gegen das Milošević-Regime opponierten und inzwischen zum demokratischen Mainstream gehören. Als Leseprobe ließ das Literatur-Netzwerk Traduki eine ins Deutsche übersetzte Best of-Ausgabe für die Buchmesse drucken. „Die geht weg wie warme Semmeln“, sagte Alida Bremer, Koordinatorin der Südosteuropa-Programme der Stiftung auf der Buchmesse. Traduki ist ein europäisches Netzwerk für Literatur und Bücher, das dabei hilft, die kulturelle Brücke zwischen dem deutschsprachigen Raum und Südosteuropa zu schlagen.

Dass Serbien nicht nur gute Autoren, sondern auch gute Köche hat, bewiesen die Gastgeber am serbischen Stand mit einheimischen Grillsnacks und Wein vom Feinsten. Damit aber das gesamte Menü in Leipzig 2011 gelingt, bedarf es einer Mischung – oder zumindest einer friedlichen Koexistenz – aus Jungen Wilden, alten Etablierten und denjenigen, die irgendwo dazwischen liegen.


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