Russland

Transnistrien mischt sich in Raketenabwehr ein

Moldauisches Gebiet bietet Russland die Stationierung von Iskander-Raketen an / Moskau wirft Washington Geheimniskrämerei vor

(n-ost) – In die Debatte um die Stationierung von US- Abwehrraketen in Rumänien und Bulgarien hat sich nun auch das international nicht anerkannte Gebiet Transnistrien eingeschaltet. Der Präsident Transnistriens, Igor Smirnow, schlug Moskau Anfang der Woche vor, Iskander-Raketen in dem kleinen Landstrich zwischen der Republik Moldau und der Ukraine zu stationieren. Das zur Republik Moldau gehörende Gebiet wird nicht von der moldauischen Regierung kontrolliert und hat eigene staatliche Strukturen aufgebaut. Ein großer Teil der Bevölkerung Transnistriens hat einen russischen Pass, und Smirnow bemüht sich seit Langem um einen noch engeren Anschluss an Russland.

Wohl deshalb warnten russische Politologen gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Novosti davor, auf das Angebot Smirnows einzugehen. Für Russland sei ein gutes Verhältnis zu Moldau wichtiger, als das kleine Transnistrien durch Raketen-Pläne international aufzuwerten. Möglicherweise, so die Kommentatoren, sei der Vorschlag aus Transnistrien sogar ein aus Moskau gesteuerter Versuch, die USA unter Druck zu setzen.

Moskau hatte gereizt auf die Erklärung des bulgarischen Ministerpräsidenten Boiko Borisow, man führe mit Washington Verhandlungen über die Stationierung von Abwehrraketen, reagiert. Anfang Februar hatte bereits Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu bekannt gegeben, der Oberste Verteidigungsrat seines Landes habe dem US-Plan zugestimmt, Rumänien in den amerikanischen Raketenabwehrschild einzubinden.

Der einflussreiche Kreml-nahe Politologe Sergej Markow hält derweil den Vorschlag aus Transnistrien für überlegenswert. Moskau könne darauf eingehen, um zu zeigen, dass es zu einer Fortsetzung des vom US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama beschlossenen Rüstungswettlaufs nicht bereit sei, sagte er am Dienstag. Allerdings hat Markow noch die Hoffnung, dass Obama sich von der einseitigen Raketenstationierung, die nun in Rumänien und Bulgarien geplant ist, abwende. Russland sei weiterhin an der Schaffung eines gemeinsamen Raketenabwehrschilds mit den USA und der Nato interessiert, erklärte der Politologe.

Für Viktor Jesin, den ehemaligen Chef der strategischen Raketenstreitkräfte in Russland, stellt sich nicht die Frage, ob Raketen stationiert werden, sondern welche. Wenn in Rumänien amerikanische SM-3 Abwehr-Raketen stationiert würden, sei das keine Gefahr für das russische Nuklearwaffen-Potential, sagte er der Nesawisimaja Gaseta. Die amerikanischen SM-3-Raketen mit einer Reichweite von 300 bis 1.000 Kilometer seien keine Gefährdung für die russischen strategischen Raketen. Wenn die Amerikaner in Rumänien jedoch andere Abwehrsysteme aufstellten, dann könne Russland sich nicht damit abfinden.

Der Kreml reagierte auf die Ankündigung aus Rumänien auf seine Art. Am Tag, an dem die Nachricht aus Bukarest kam, setzte der russische Präsident Dmitri Medwedew mit seiner Unterschrift eine neue Militärdoktrin in Kraft. Während in der alten Doktrin noch nebulös vor der Ausdehnung „anderer Militärblöcke“ gewarnt wurde, wird in der neuen Doktrin die Nato mit ihren Erweiterungsplänen als Bedrohung für Russland genannt. Moskau droht in dem Dokument zwar nicht mit dem nuklearen Erstschlag, behält sich aber das Recht vor, mit Nuklearwaffen zu antworten, wenn Russland mit denselben Waffen angegriffen wird oder durch den Einsatz von konventionellen Waffen gefährdet ist.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow wirft in der Debatte Washington Geheimniskrämerei vor. „Wir erfahren aus der Presse, dass diese und jene Teile der amerikanischen Raketenabwehr in diesem und jenem Land stationiert werden sollen.“ Das widerspreche der Vereinbarung zwischen Obama und Medwedew, die sich geeinigt hätten, die Frage der Raketenabwehr in größtmöglicher Transparenz zu klären.

John Beyrle, Botschafter der USA in Moskau, weist den Vorwurf zurück. Über die Raketenabwehrpläne habe man mit den offiziellen Vertretern Russlands in mehreren Runden „im Geist maximaler Offenheit“ gesprochen, schreibt der Botschafter in seinem Blog.

Ulrich Heyden
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