Keine Krise in der Rüstungsindustrie
Waffenexporte steigern Russlands Einnahmen und Einfluss / Qualitätsmängel bleiben
(n-ost) – Russische Rüstungsbetriebe sind für Besucher meist geschlossen. Nur wenige Betriebe öffnen ihre Pforten für Neugierige, und das oft nur nach langwierigen Anmeldeverfahren. Keine Überraschung in einem Land, in dem selbst Touristen häufig Bußgelder zahlen müssen, weil sie sich einfach gegenseitig in der U-Bahn fotografiert hatten und dies in strategisch wichtigen Verkehrsobjekten verboten ist.
Doch wenn es um prächtige Verkaufszahlen geht, herrscht bei den russischen Waffenfabriken große Offenheit. Ihre Erfolge geben sie jährlich auf groß angelegten Pressekonferenzen bekannt. In der vergangenen Woche verkündete Anatoli Isajkin, der Chef des russischen Waffenexport-Monopol-Unternehmens „Rosoboronexport“, sein Unternehmen habe 2009 Waffen im Wert von 7,4 Milliarden Dollar verkauft und sich damit gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent gesteigert. Mehr noch, man rechne damit, diesen Erfolg in diesem Jahr zu halten – bei einem Auftragsvolumen von 34 Milliarden Dollar.
Russland gehört zu den größten Waffenexporteuren der Welt. 2008 stand das Land auf Platz zwei hinter den USA (6,2 Milliarden Dollar Waffenexport). Die Hälfte der russischen Waffenexporte besteht aus Kampfflugzeugen, Hubschraubern und Luftabwehrraketen.
Die wichtigsten Kunden sind Indien, Algerien, China und Malaysia.
„Strategischer Partner“ ist nach Mitteilung von „Rosoboronexport“ Indien, mit dem Russland auch seinen ersten Tarnkappenbomber „T-50“ baut.
Aber auch Nato-Länder kaufen russische Waffen, allen voran die Türkei und Griechenland, wie der Direktor von „Rosoboronexport“ stolz verkündete. Und mittlerweile hat man sogar Hoffnungen auf Aufträge aus dem Irak und aus Afghanistan, die dortigen Behörden hätten bereits Interesse bekundet, heißt es. Trotz Kritik aus Israel und den USA will Moskau an der 2007 vereinbarten Lieferung von S-300-Luftabwehrraketen an den Iran festhalten.
Seit das Rüstungs-Exportunternehmen „Rosoboronexport“ im Jahr 2000 auf Anweisung Wladimir Putins gegründet wurde, sei der russische Waffenexport um 140 Prozent gestiegen, heißt es von Seiten des Unternehmens. Dieser Handel verschafft Russland Einfluss in Asien, Nordafrika und Lateinamerika, denn wegen der Ersatzteile sind viele Länder über Jahrzehnte auf russische Lieferungen angewiesen.
Allerdings macht sich Russland durch seine Exporte auch verwundbar. So hat China längst begonnen, russische Waffen zu kopieren. Modifizierte Versionen des legendären Kalaschnikow-Maschinengewehrs etwa werden in Israel, Bulgarien, Finnland und Indien produziert.
Der anhaltende Erfolg der russischen Waffenexporteure ist erstaunlich, denn was die Qualität betrifft, ist offenbar nicht alles perfekt. So musste Russland 15 Kampfflugzeuge vom Typ MIG-29 zurücknehmen, der Abnehmer Algerien hatte sich beschwert. Dass russische Waffenschmieden ernste Probleme haben, zeigen auch die zahlreichen Fehlstarts der neuen russischen Interkontinentalrakete Bulawa, die seit 2005 getestet wird. Von 13 Testflügen waren nur fünf erfolgreich. Entweder explodierte die Rakete einige Sekunden nach dem Start oder sie erreichte nicht das 5.000 Kilometer entfernte Ziel auf dem Testgelände Kamtschatka.
Auch in Russland selbst gibt es kritische Stimmen. Die Anlagen der Rüstungsindustrie seien völlig veraltet, erklärt etwa Militärexperte Alexander Golts, und gefeierte Neuentwicklungen oft nichts weiter, als „leicht modernisierte Versionen“ alter Projekte von vor 30 Jahren. Dass Russland seine Streitkräfte nicht aus eigener Kraft modernisieren kann, zeigt die Absicht des russischen Verteidigungsministeriums, den französischen Hubschrauberträger Mistral zu kaufen. Zudem interessiert sich Moskau für die Lizenz, Schiffe vom Typ Mistral zu bauen und kaufte im vergangenen Jahr bereits zwölf Aufklärungsdrohnen beim israelischen Unternehmen Israel Aerospace Industries. Russische Rüstungsbetriebe seien vor allem Fabriken „zur Sicherung von Arbeitsplätzen“, spottet Militärexperte Golts.
Ulrich Heyden
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