Lettland

Autos aus Versteigerungen sind Exportschlager

Ein Porsche Cayenne zwängt sich durch die stark verschneiten Straßen Rigas durch den abendlichen Berufsverkehr, gerät auf die vereisten Schienen der Straßenbahn und kommt ungewollt ins Rutschen. Mit quietschenden Reifen und heulendem Motor versucht der Fahrer, das Auto auf der Fahrbahn zu halten und hat Glück. Doch die widrige Witterung ist zurzeit längst nicht die einzige Gefahr für Fahrzeughalter in Lettland. In der anhaltenden Wirtschaftskrise kommt es immer öfter zu Zwangsversteigerungen von zum Teil wertvollen Autos, weil die Halter ihre Kredite bei der Bank nicht mehr bezahlen können.

Porsche, Bentley, Lamborghini und Hummer – solche teuren Marken galten einst als Symbol des Wirtschaftswunders in den baltischen Staaten. Doch seit die drei Länder in der Wirtschaftskrise stecken, fehlt von diesen Luxusobjekten fast jede Spur. Dabei sind es längst nicht nur die Luxusschlitten der Reichen, die unter den Hammer kommen. Hohe Auslandsschulden, die Blase am Immobilienmarkt und extrem schwierige Rahmenbedingungen an den internationalen Finanzmärkten hatten besonders Lettland an den Rand des Staatsbankrotts geführt. Das bekommt auch die Bevölkerung massiv zu spüren.

Geht es nach der Bank der Eltern der 26-jährigen Ieva E. (Name geändert), gibt es bald noch ein Auto weniger auf Lettlands Straßen. Ieva stammt aus einer eigentlich gut situierten lettischen Familie. Sie arbeitet als Planungsassistentin in einer internationalen Firma. Vor Jahren haben die Eltern ihren beiden Töchtern jeweils ein kleines Apartment am Rande der Hauptstadt gekauft.

Obwohl beide Eltern einen guten Job haben, sind sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Sie mussten erhebliche Gehaltskürzungen einstecken. Die monatliche Kreditlast ist dagegen nicht kleiner, sondern größer geworden. Anfangs konnte Ieva ihren Eltern unter die Arme greifen, doch mittlerweile hat sich auch ihre finanzielle Lage verschlechtert. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht.

Der Geschäftsführer der Swedbank in Lettland, Maris Mancinskis, bestätigt, dass Kreditinstitute derzeit Sicherheitsgarantien einfordern. Damit gleichen sie Verluste aus, die zahlungsunfähige Kreditnehmer verursacht haben. Autos stellen nach Immobilien das größte Kreditvolumen dar. Da Fahrzeuge, anders als Immobilien, sogenannte aktive Wertgegenstände sind und immer einen gewissen Wert am Markt haben, kann man sie recht einfach zu Geld machen. Das tun die Banken mit den beschlagnahmten Wagen ihrer Gläubiger – und zwar im Ausland. Wegen der schwierigen Situation in Lettland exportieren sie die Fahrzeuge und erzielen so höhere Preise.

Auf der Homepage der Firma Conventus, die im Auftrag der Großbanken und Leasinggesellschaften beschlagnahmte Fahrzeuge verkauft, finden sich neben einer Vergnügungsjacht, landwirtschaftlichen Geräten und Luxuslimousinen vor allem Mittelklassewagen. Die Fahrzeuge – es sind mehrere hundert – stehen auf einem verlassenen Flugplatz. Gleich nebenan parkt die zweitgrößte Bank Lettlands, die SEB Bank, die von ihr beschlagnahmten Wagen.

Dass dieses Geschäft gut läuft, zeigen die Exportdaten des lettischen Statistikamtes. Lettland exportierte während der ersten zehn Monate 2009 Fahrzeuge mit einem Gesamtwert von 86,3 Millionen Lats, rund 123 Millionen Euro. Dem gegenüber steht der Import im Wert von 81 Millionen Lats, etwa 116 Millionen Euro. Hinter diesen Zahlen verbergen sich 10.092 exportierte und 8.509 importierte Automobile, berichtete die US-Nachrichtenagentur Bloomberg. Damit sei Lettland Netto-Exporteur von Fahrzeugen geworden, obwohl es, außer einiger Nutzfahrzeuge für die Landwirtschaft, seit den 80er Jahren keine Personenfahrzeuge mehr herstellt. Zielländer sind neben dem europäischen Ausland Neuseeland, Saudi-Arabien, Ghana und Costa Rica.

Nach Informationen der Europäischen Gesellschaft für Automobilhersteller sind die Neuzulassungen in Lettland im Oktober des vergangenen Jahres um 82 Prozent auf 218 Fahrzeuge zurückgegangen. Auch die beiden Nachbarstaaten Estland und Litauen verbuchten enorme Rückgange mit 71 beziehungsweise 73 Prozent. Bei Luxuskarossen ist der Rückgang noch stärker: Von den 20 Geländewagen von Hummer, die 2008 zugelassenen wurden, waren 2009 nur noch zwei registriert. Lamborghinis und Bentleys gab es keine mehr.


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