Neues Alkoholverbot zu Silvester
Einschränkungen beim Verkauf von Alkohol sollen den Konsum in Russland eindämmen, Beobachter bezweifeln jedoch den Erfolg der neuen Gesetze
(n-ost) – Die Feiern zum russischen Neujahrs- und Weihnachtsfest am 31. Dezember und 6. Januar werden wie immer feucht ausfallen. Krankenhäuser stellen sich auf eine erhöhte Zahl von Alkoholvergiftungen und halb erfrorenen Trinkern ein. Besonders viele Alkoholtote gebe es zu Beginn eines jeden neuen Jahres bei Männern im Alter zwischen 30 und 54 Jahren, erklärte jüngst Aleksandr Nemzow, Professor am Moskauer Psychatrie-Institut des Gesundheitsministeriums.
Pro Kopf trinken die Russen im Jahr 18 Liter reinen Alkohol. „Dass verschlägt einem den Atem“, erklärte der russische Präsident Dmitri Medwedew im August auf einer Sitzung der russischen Regierung. Medwedew hat der Volksseuche Alkoholismus jetzt den Kampf angesagt. Doch außer neuen Verboten ist dem Kreml und den Duma-Abgeordneten noch kein geeignetes Mittel gegen die Volkskrankheit eingefallen.
Mit dem Bier gehe es los, sagte der russische Präsident. Bier, dass in Russland als nichtalkoholisches Getränkt gilt, sei für viele Jugendliche der Einstieg in die Abhängigkeit vom Alkohol. Deshalb müssten die Gesetze über die Reklame für Alkohol und Bier noch einmal verschärft werden, forderte Medwedew. Für „harte Getränke“ darf im Fernsehen seit einiger Zeit nicht mehr geworben werden. Werbung für den Gerstensaft ist erst ab 22 Uhr erlaubt.
Rechtzeitig vor den Feiertagen hat die russische Duma nun in zweiter Lesung ein Gesetz verabschiedet, das den Verkauf von Bier und leicht alkoholischen Getränken in Straßenkiosken verbietet. Damit soll der Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen eingedämmt werden. Wie die Leiterin des Duma-Gesundheitskomitees Olga Borsowa während einer Parlamentsanhörung berichtete, ist 2008 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Kinder im Alter von zehn bis 14 Jahren, die Alkohol trinken, um 15,4 Prozent gestiegen.
Eine Duma-Kommission, die seit Monaten Maßnahmen zur Begrenzung des Alkoholkonsums diskutiert, hat vorgeschlagen, den Verkauf von Alkohol zeitlich noch weiter zu begrenzen. Zur Zeit ist der Verkauf von Wodka und anderem Hochprozentigen zwischen 23 und sieben Uhr verboten. Die staatliche Aufsichtsbehörde für den Alkoholmarkt hat außerdem vorgeschlagen, dass auf die Etiketten der Wodkaflaschen Warnungen wie „Alkohol ist Gift“ gedruckt werden.
Der russische Amtsarzt Gennadi Onischtschenko forderte, Gouverneure, in deren Regionen die Zahl der Alkoholtoten ansteigt, zu feuern. Außerdem schlug er vor, den Preis für Wodka heraufzusetzen. Die staatliche Aufsichtsbehörde für den Alkoholmarkt setzte den Mindestpreis für eine Halbliter-Flasche daraufhin auf 89 Rubel (rund zwei Euro) fest.
Bereits im September gab Gennadi Onischtschenko bekannt, dass 2,5 Millionen Menschen in Russland alkoholkrank sind. Die Dunkelziffer soll jedoch noch wesentlich höher sein. Wie die russische Gesellschaftskammer, eine Art Vertretung der Zivilgesellschaft beim Staat, Mitte des Jahres bekannt gab, sterben jährlich 500.000 Menschen an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums.
Schon seit Jahren sorgt sich der Kreml um die hohe Sterblichkeit im Land. Die Lebenserwartung der russischen Männer liegt bei nur 60 Jahren. Die sinkende Geburtenrate und die hohe Sterblichkeit hat in Russland bereits zu einem Mangel an jungen Facharbeitern geführt.
Ob jedoch allein Alkoholverbote in Russland etwas bewirken, wird von Beobachtern bezweifelt. Denn sobald der legal verkaufte Wodka zu teuer wird oder es Versorgungsengpässe beim Alkohol gibt, steigen die Alkoholiker auf schwarz gebrannten Wodka oder alkoholhaltige Ersatzstoffe wie Fensterputzmittel um. Im November 2006 wurden in Russland 5.000 Personen in Krankenhäuser eingeliefert, die sich beim Konsum von alkoholhaltigen Ersatzmitteln vergiftet hatten. Damals war es bei einem neu eingeführten Computersystem zur Kontrolle des Alkoholverkaufs zu einem Systemausfall gekommen. Daraufhin waren die Wodka-Regale in den Supermärkten wochenlang leer.
Dass man als Alkoholiker ärztlichen Rat aufsucht, vielleicht sogar zum Psychologen geht, ist bei russischen Männern verpönt. Wer wegen persönlicher Probleme zum Arzt geht, gilt als Schwächling. Viele russische Männer fühlen sich als Draufgänger und Alleskönner am wohlsten. Wer wegen Alkoholabhängigkeit Probleme in der Familie oder am Arbeitsplatz bekommt, ist höchstens bereit, sich codieren zu lassen. Das heißt, der Abhängige bekommt ein Mittel in den Körper implantiert, das beim Trinken von Alkohol Übelkeit und Angst auslöst.
Ulrich Heyden
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